Diversity Diary: Das Erbe der Weltreiche

26. Oktober: Nationalfeiertag in Österreich

 

Vom Kaisertum zur GRÜN regierten Republik

 

Am 26. Oktober 1955 beschloss Österreich, fortan keine militärischen Bündnisse mehr einzugehen. Im Gedenken an diese Neutralität wird heute der Nationalfeiertag begangen. Zur Feier des Tages können Besucherinnen die Parlamentsgebäude, die Hofburg, den Sitz des Bundespräsidenten sowie bei freiem Eintritt einige Museen in Wien besuchen. Am Vorabend des Nationalfeiertags geben zudem die Wiener Symphoniker ein Konzert, das in jedem Jahr ein*e Gastdirigent*in aus einem anderen Land leitet. In ganz Österreich finden am 26. Oktober Sportveranstaltungen und -feste statt.

Die Entscheidung zur politischen Neutralität (die durch die Mitgliedschaft in der EU – anders als in der Schweiz – faktisch eingeschränkt ist) ist das Ergebnis der historischen Erfahrungen aus der Kaiserzeit und der beiden Weltkriege. Dazu passt, dass ein „österreichisches Nationalbewusstsein“ eigentlich erst seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges existiert. Das 1804 von Kaiser Franz I. gegründete „Kaisertum Österreich“ war ein Vielvölkerstaat, in dem neben Deutsch auch Ungarisch, Italienisch, Tschechisch, Polnisch, Ukrainisch, Rumänisch, Kroatisch, Serbisch, Slowakisch und Slowenisch gesprochen wurde. Ab 1815 gehörte Österreich zum Deutschen Bund (und entsandte 1848 daher ebenfalls einen Vertreter in die Frankfurter Paulskirche!). 1867, nach der Auflösung des Deutschen Bundes und dem Verlust von Venetien an Italien, einigte sich Kaiser Franz Josef mit Ungarn, das mehr politische Eigenständigkeit forderte. Es entstand eine Doppelmonarchie; der österreichische Kaiser wurde zugleich zum König von Ungarn. Auch die anderen Völker strebten nach Souveränität. Nach dem Attentat von Sarajewo erklärte Österreich 1914 Serbien den Krieg. Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel das Reich der Habsburger. Die deutschsprachigen Gebiete Österreichs („Deutschösterreich“) schlossen sich zu einer Republik zusammen. Im April 1919 wurde der Adel in Österreich offiziell abgeschafft. Unter Engelbert Dollfuß, der 1932 Kanzler wurde Österreich faktisch zu einer Diktatur, wenngleich (noch) in milderer Form als im benachbarten Deutschland. 1938 schloss sich Österreich an das Deutsche Reich an. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur wurde Österreich wieder ein souveräner Staat, blieb jedoch bis 1955 in Besatzungszonen aufgeteilt. 

Heute ist Österreich ein demokratischer Bundesstaat mit neun Bundesländern: Burgenland, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien. Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident, der jeweils für sechs Jahre direkt vom Volk gewählt wird. Derzeit hat Alexander Van der Bellen das Amt inne, der bis 2016 den österreichischen GRÜNEN angehört hatte. Österreich hat ein Zweikammerparlament, das aus dem Nationalrat und dem Bundesrat besteht. Die 183 Abgeordneten des Nationalrates werden alle fünf Jahre direkt gewählt. Hier kommt etwas zum Tragen, was wir GRÜNE auch für Deutschland anstreben: Wahlberechtigt sind alle Österreicher*innen bereits ab einem Alter von 16 Jahren! Die Partei „Die GRÜNEN- GRÜNE Alternative“ bildet seit mit der Österreichische Volkspartei (ÖVP) die Regierungskoalition, nachdem sie bei der vorgezogenen Wahl 2019 ihr Wahlergebnis um satte 10 Prozent steigern konnten und den bisher höchsten Stimmenanteil ihrer Geschichte holten. 

Der Bundesrat setzt sich – ähnlich wie sein deutsches Pendant – aus Vertreter*innen der Bundesländer zusammen. Er hat ein Vetorecht, das vom Nationalrat überstimmt werden kann, sofern nicht in die Rechte der Länder eingegriffen wird. Neben den offiziellen Staatsorganen sind die Kammern - öffentlich-rechtliche Interessenvertretungen und privatrechtliche Vereine mit Pflichtmitgliedschaft – mit weitaus mehr Gestaltungsmacht versehen als in Deutschland. Gesetzesentwürfe müssen etwa der Wirtschaftskammer, der Kammer für Arbeiter und Angestellte, der Landwirtschaftskammer oder dem Gewerkschaftsbund in Begutachtungsverfahren vorgelegt werden. Dieses Verfahren hat auch zur Folge, dass Streiks in Österreich eher selten sind.

Regierungschef ist der oder die Bundeskanzler*in. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz am 11. Oktober 2021 übernahm Alexander Schallenberg das Amt. Hintergrund des Rücktritts waren Hausdurchsuchungen im Finanzministerium und der Parteizentrale der ÖVP aufgrund des Verdachts der Korruption. Kurz wird vorgeworfen, 2017 eine Umfrage gefälscht und einer Tageszeitung zugespielt zu haben. Nicht nur wurden Scheinrechnungen hierfür beim Finanzamt eingereicht; die gefälschten Werte führten letztlich auch dazu, dass der damalige Parteichef zurücktrat und Kurz zum Vorsitzenden der ÖVP gewählt wurde. 

 

Ein Volksbegehren zum Kampf gegen den Klimawandel

 

Mit einer Landschaft, die zu 70 Prozent aus Gebirge besteht, ist Österreich stärker als viele andere europäische Länder von den Folgen des Klimawandels betroffen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts stieg die Temperatur um 1,8 Grad – und damit mehr als doppelt so stark wie die Temperatur auf der gesamten Nordhalbkugel der Erde. Als Folge der Erwärmung, so schätzen Expert*innen wird der Anteil der Fichtenwälder, der aktuell noch bei 50 Prozent liegt, zurückgehen. Insgesamt werden sich Schädlinge stärker ausbreiten und die Landwirtschaft, auch den Weinbau, bedrohen. Die Hitze wirkt sich auch auf den Gesundheitszustand der Österreicher*innen aus – insbesondere ältere und vorerkrankte Menschen laufen Gefahr zu dehydrieren. Bereits 2018 gab es in Österreich mehr Hitze- als Verkehrstote.

Wie in der Schweiz schmelzen auch in Österreich die Gletscher: Einer Studie zufolge waren bereits im Jahr 2000 rund die Hälfte der noch zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorhandenen Gletscherflächen verschwunden. Dadurch steigt die Gefahr von Überschwemmungen und Erosionen. Sollte die Temperatur bis 2100 um insgesamt drei Grad steigen, würden 80 Prozent der Gletscher verschwunden sein; bei einem Temperaturanstieg um fünf Grad gäbe es in den Alpen keine Gletscher mehr. 

Bereits 2007 hat Österreich eine Klimastrategie beschlossen. Zuständig für deren Umsetzung ist das Lebensministerium, das aus Umwelt- und Agrarministerium gebildet wurde. Als neuntes Land rief Österreich 2019 den Klimanotstand aus und bekannte sich damit dazu, dem Klimaschutz höchste Priorität einzuräumen. Im Juni letzten Jahres gab es im ein „Klimavolksbegehren“ mit dem Ziel, den Klimaschutz als Verfassungsziel zu verankern. Über 380.000 Unterschriften wurden gesammelt. Auch wenn dies nicht einmal sechs Prozent aller Wahlberechtigten entspricht, war das Volksbegehren erfolgreich: Im Frühjahr diesen Jahres beschlossen die Regierungsparteien ÖVP und GRÜNE erste Maßnahmen zur Umsetzung. Geplant sind ein Klimarat aus Bürgerinnen und Bürgern sowie ein Beirat, der die Einhaltung des CO2-Budgets kontrollieren soll. Luft nach oben ist dabei noch reichlich: Im aktuellen Klimaschutzindex belegt Österreich den 38. Platz von 61 Ländern und liegt damit unter dem EU-Durchschnitt. 

 

Walzer und Schnitzel – Leben in Österreich

 

Auf einer Fläche von rund 84.000 Quadratkilometern leben etwa neun Millionen Menschen. Die größte Stadt ist die Hauptstadt Wien – jede*r fünfte Österreicher*in ist hier zu Hause. In vielerlei Hinsicht ist Wien in den letzten Jahren zu einer Vorreiterin kommunaler Politik geworden, etwa in der Wohnungspolitik: Anders als in deutschen Großstädten stehen weite Teile des Wohnungsbestands in kommunalem Eigentum (Wien ist mit 220.000 Gemeindewohnungen die größte Immobilienbesitzerin in ganz Europa!), so dass die Mieten in Wien weiterhin relativ günstig sind. Nur 18 Prozent der Wiener*innen wohnen im Eigentum. Als erste Stadt führte Wien 2012 ein 365-Euro-Ticket für den Öffentlichen Nahverkehr ein. 

Auch in kultureller Hinsicht war und ist Wien Vorreiterin: Im 18. und 19. Jahrhundert war die österreichische Hauptstadt ein Zentrum der klassischen Musik („Wiener Klassik“): Drei große Komponisten lebten hier und schufen epochale Werke der Musikgeschichte: Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven. Auch Johannes Brahms, Anton Bruckner, Gustav Mahler, Franz Schubert und Arnold Schönberg zog es nach Wien. Noch heute gehören die Wiener Philharmoniker und die Wiener Sängerknaben zu den bedeutendsten Ensembles der Welt. Auch die Unterhaltungsmusik florierte in Wien – etwa der Wiener Walzer, zu dessen bekanntesten Komponisten Johann Strauss (Vater und Sohn) gehörten. Der Donauwalzer zur Begrüßung des neuen Jahres um Mitternacht ist eine österreichische Tradition. 

Auch das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ stammt aus Österreich. Es wurde 1818 in Salzburg erstmals aufgeführt. 

Auch auf dem Gebiet der Literatur hat Österreich etliche bekannte Künstler*innen hervorgebracht, etwa Franz Grillparzer, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, Stefan Zweig oder Ingeborg Bachmann. 

Einen besonderen kulturellen Stellenwert besitzt das Kabarett, das politische oder Alltagsthemen in einer Mischung aus Comedy, Theater und Unterhaltung verarbeitet. 

Im „ernsten“ darstellenden Genre hat sich der „Wiener Aktionismus“ als eigenständige Kunstform herausgebildet, die den menschlichen Körper in Performances zwischen Theater und Malerei darstellt.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg war Österreich ein Einwanderungsland gewesen. Vor allem aus Böhmen, Mähren und später aus Ungarn und der Tschechoslowakei kamen die Migrant*innen. Mit dem Wirtschaftsaufschwung nach Ende des Zweiten Weltkrieges warb auch Österreich Gastarbeiter*innen aus der Türkei und Jugoslawien an. Heute haben 23 Prozent der Österreicher*innen eine Migrationsgeschichte. Neben Deutsch sind auch Tschechisch, Ungarisch Slowakisch und Romanes, die Sprache der Roma, als Minderheitensprachen anerkannt.

Die historische und aktuelle kulturelle Vielfalt schlägt sich in der österreichischen Küche nieder, die süddeutsche, ungarische, böhmische und italienische Einflüsse vereint. Traditionelle Gerichte sind das Wiener Schnitzel, das  - nicht zu verwechseln mit dem „Schnitzel Wiener Art“ – aus dünn geklopftem panierten Kalbfleisch besteht, der „Kaiserschmarrn“ und die mit Marillenmarmelade gefüllte und mit Schokolade überzogene Sachertorte. Eine Spezialität aus der Steiermark ist das Kürbiskernöl, das als Grundlage beispielsweise für Erdäpfelsalat (Kartoffelsalat) oder Kürbissuppe dient. Ein beliebtes Mitbringsel aus dem Österreich-Urlaub ist auch der Tiroler Speck. 

In Frankfurt, wo 2.759 Österreicher*innen zu Hause sind, könnt ihr diese Spezialitäten beispielsweise im Seefeld am Scheffeleck oder in der Salzkammer in der Innenstadt probieren. 

 

Zum Weiterlesen:

Thomas Arzt, Die Gegenstimme. Residenz Verlag, Salzburg 2021, ISBN 978-3701717361, erzählt von einem Studenten, der 1938 als Einziger im Dorf gegen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmt.

Daniel Wisser, Wir bleiben noch. Luchterhand Literaturverlag, München 2021. ISBN 978-3630876443. Erzählt vom Zerbrechen einer Wiener Familie, die – mit sozialistischen Wurzeln bis in die Kaiserzeit – vom Rechtsruck der Gegenwart erfasst wird. 

 

Zum Weiterschauen:

Klimt (2006). Film-Biographie des österreichischen Malers Gustav Klimt. Abrufbar bei Amazon.

Murer (2018), zeigt die Gerichtsverhandlung gegen den Ghetto-Verantwortlichen Fritz Murer in Graz. Abrufbar bei Netflix

Joy (2018), erzählt von der nigerianischen Einwanderin Joy, die in Wien als Prostituierte arbeitet, um ihrer Tochter ein anderes Leben zu ermöglichen. 

 

In Frankfurt:

Seefeld, Scheffeleck 1, Frankfurt-Nordend

Salzkammer, Weißadlergasse 15, Frankfurt-Innenstadt

 

Veranstaltungshinweis:

Europe Calling – Was geht in Österreich? Von GRÜNEN Erfolgen in Österreich lernen. Webinar mit Sven Giegold, MdEP. Donnerstag, 28.10.2021 , 20.00 Uhr, Anmeldung hier.

 

 

28. Oktober: Tag der Entstehung des tschechischen Staates

 

Vom Habsburgerreich zur modernen Republik

 

Zwischen Erzgebirge, Riesengebirge und Böhmerwald liegt die Tschechische Republik. Im Mittelalter war der geeinte tschechische Staat aus den Provinzen Böhmen, Mähren und Teilen Schlesiens entstanden. Der Name „Tschechien“ ist die landeseigene Bezeichnung für „Böhmen“. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges wurde Tschechien Teil des Habsbugerreiches und blieb dies bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Am 28. Oktober 1918 wurde die demokratische Republik Tschechoslowakei gegründet. Aus diesem Grund feiern die Tschech*innen diesen Tag als ihren Nationalfeiertag. Traditionell wird der Tag mit einer Kranzniederlegung am Grab des ersten tschechischen Präsidenten Tomáš Masaryk begangen. Außerdem werden am Nationalfeiertag die neuen Soldat*innen vereidigt und die höchsten Orden der Tschechischen Republik verliehen. Viele Städte feiern mit Laternenumzügen und Feuerwerk. 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei die Macht und formte einen sozialistischen Staat nach dem Vorbild der UdSSR. 1968 wurde der Aufstand des Prager Frühlings niedergeschlagen. Im Zuge des Mauerfalls und des beginnenden Zerfalls der Sowjetunion kam es auch in der Tschechoslowakei zu Reformbewegungen („Samtene Revolution“). 1989 errichtete Präsident Vaclav Havel demokratische Strukturen. 1992 beschlossen die Tschech*innen und die Slowak*innen die Teilung des Staates. Die Tschechische Republik wurde am 01. Januar 1993 gegründet. 

Heute ist Tschechien eine parlamentarische Republik mit einem/einer Präsident*in als Staatsoberhaupt (derzeit Miloš Zeman). Im Gesetzgebungsverfahren hat der der/die Präsident*in ein aufschiebendes Vetorecht. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Abgeordnetenhaus mit 200 Sitzen und dem Senat mit 81 Mitgliedern. Im Oktober 2021 wurde das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Stärkste Partei wurde dabei die wirtschaftsliberal-populistische Politische Bewegung ANO (auf Tschechisch „ja“), knapp vor dem 2020 gegründeten Mitte-Rechts-Wahlbündnis Spolu. Mit Strana zelenych gibt es in Tschechien eine GRÜNE Partei, die jedoch aktuell nicht im Abgeordnetenhaus vertreten ist. 

Seit 2004 ist Tschechien Mitglied der Europäischen Union. Zur Euro-Zone gehört das Land (noch) nicht – die Landeswährung ist nach wie vor die Tschechische Krone (ein Euro entspricht etwa 25, 5 Kronen). Der sprichwörtlich bekannte „rote Heller“ wird seit 2008 nicht mehr im Barzahlungsverkehr verwendet.

Bereits zu Zeiten der Habsburgermonarchie war das damalige Maschinenbauunternehmen Skoda einer der größten Arbeitgeber Tschechiens – daran hat sich auch nach der Ausrichtung auf die Automobilproduktion nichts geändert. Nach dem Ende der sozialistischen Republik hat sich die Wirtschaft Tschechiens sehr stabil entwickelt; das Bruttoinlandsprodukt bewegt sich im europäischen Durchschnitt. Größter Handelspartner Tschechiens ist Deutschland; fast ein Drittel aller tschechischen Im- und Exporte werden mit der Bundesrepublik abgewickelt.  Böhmen ist bekannt für seine Glashütten, die allerdings heutzutage mehr Museumscharakter haben. 

 

Bierbrauer- und Radfahrerland

 

Auch in Tschechien hat die Durchschnittstemperatur, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts noch bei 8,1 Grad lag um fast zwei Grad zugenommen. 

Vier Nationalparks gibt es in Tschechien. Der größte von ihnen ist der Böhmerwald, der einen der artenreichsten Naturräume Mitteleuropas bildet. In letzter Zeit haben sich hier wieder Luchse und Elche angesiedelt. 

Über die Hälfte der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Als Erbe der sozialistischen Kollektivierung sind die landwirtschaftlichen Betriebe oft sehr groß. Besonders bedeutend ist der Hopfenanbau – Böhmen gilt als traditionelles Bierbrauerland. Auch der Weinanbau hat in Tschechien eine lange Tradition. 

Erneuerbare Energien werden in Tschechien zur Stromgewinnung kaum genutzt – der Großteil wird durch Kohle und Kernenergie (es gibt in Tschechien zwei Kernkraftwerke) produziert. Auch Wärme wird hauptsächlich durch Kohle und Gas gewonnen, auch wenn der Kohleabbau zunehmend unrentabel wird. 

Die Nutzung der Autobahnen ist in Tschechien kostenpflichtig – Autofahrer*innen müssen vorab eine Vignette erwerben. Gut ausgebaut ist der Schienenverkehr – Tschechien verfügt über das dichteste Streckennetz der Welt. In allen Städten dürfen Senior*innen den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei benutzen. 

Fahrradfahren ist in Tschechien verbreitet – das Radwegenetz ist in Tschechien daher gut ausgebaut, sowohl in den Städten als auch die Radwanderwege außerhalb. 

 

100 Türme und Böhmische Knödel – Alltagskultur in Tschechien

 

In Tschechien leben rund 10,5 Millionen Menschen – mehrheitlich Tschech*innen, aber auch Mähren, Slowaken, Schlesier*innen, Polen, Deutsche und Romanes. Etwa 4,6 Prozent der Einwohner*innen haben eine ausländische Staatsbürgerschaft – Tschechien liegt dabei weit unter dem EU-Durchschnitt. Fast drei Viertel der Tschech*innen leben in Städten; die Mehrzahl von ihnen im Wohneigentum. Die größte Stadt ist die Hauptstadt Prag mit rund 1,2 Millionen Einwohner*innen. 

Prag ist ein Hauptanziehungspunkt für Tourist*innen aus aller Welt. Nicht umsonst wird Prag auch die „Stadt der 100 Türme“ oder „Goldene Stadt“ genannt. Zu besichtigen sind herausragende architektonische Bauten aus vielen Epochen, beispielsweise der Veitsdom, die Karlsbrücke oder das „Tanzende Haus“. Auch außerhalb der Hauptstadt kann Tschechien mit zahlreichen Burgen, Schlössern und Klöstern aufwarten. Insgesamt 12 UNESCO-Welterbestätten befinden sich in Tschechien. 

In Prag befindet sich auch die älteste Universität Tschechiens. Hier kann studieren, wer nach der fünften oder siebten Grundschulklasse die Aufnahmeprüfung für ein Gymnasium bestanden und dieses mit der Matura abgeschlossen hat. Die Hochschulbildung ist dreistufig und gliedert sich in Bakkalaureat, Master oder Magister und Doktorat. Schüler*innen, die keinen Hochschulabschluss anstreben, können nach der neunjährigen Grundschule eine technische, kaufmännische oder anderweitig ausgerichtete Fachschule, eine Berufsschule oder ein (künstlerisches) Konservatorium besuchen.

Nur rund jede*r Fünfte glaubt in Tschechien an einen Gott – die tschechische Republik hat damit europaweit den höchsten Anteil an Atheist*innen. 71 Prozent der Tschech*innen gehören keiner Religionsgemeinschaft an. Viele tschechische Feiertage haben daher (auch) eine weltliche Bedeutung – so ist der Todestag des Heiligen Wenzel am 28. September zugleich der Tag der Tschechischen Staatlichkeit. Außerdem wird am 17. November der Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie begangen. Christliche Feiertage sind – außer Karfreitag, Ostermontag und die Weihnachtsfeiertage – nicht arbeitsfrei. 

Die tschechische Küche gilt als deftig und reichhaltig. Ein typisches Hauptgericht ist Schweine- oder Lammbraten mit Böhmischen Knödeln, Weiß- oder Rotkraut oder Pilzen. Bekannt ist auch der warm servierte Prager Schinken. Böhmen ist für seine Mehlspeisen berühmt, beispielsweise Palatschinken, Buchteln oder Zwetschgenknödel. Gemüse findet sich auf tschechischen Tellern eher selten. Fisch ist für die böhmisch-mährische Küche eher ungewöhnlich – mit einer Ausnahme: Tschechien ist bekannt für seine Karpfenzucht. Vor allem zu Weihnachten wird er häufig noch lebend gekauft und am Heiligen Abend mit Kartoffelsalat verzehrt. 

Bier ist tschechisches Nationalgetränk – tatsächlich übersteigt der Bierkonsum in Tschechien noch den deutschen Verbrauch. Die Marken Budweiser und Pilsner Urquell sind international bekannt. Vor allem in Mähren haben Obstbrände wie Sliwowitz (aus Zwetschgen), Merunkovice (aus Marillen) oder Borovička (aus Wacholderbeeren) Tradition.

Die tschechische Küche könnt ihr in Frankfurt in der „Prager Botschaft“ kosten. Seit 1990 unterhält Frankfurt mit Prag eine Städtepartnerschaft. Die deutsch-tschechische und deutsch-slowakische Wirtschaftsvereinigung hat im Frankfurter Westend ihren Sitz. Kinder mit tschechischer Muttersprache, aber auch interessierte Erwachsene können in der „Tschechischen Schule ohne Grenzen“ Sprachunterricht erhalten. Aktuell haben 720 Frankfuter*innen einen tschechischen Pass.

 

Zum Weiterlesen:

Leo Lania, Der Außenminister. Mandelbaum Verlag Wien, 2019. ISBN 978-3854768340. Erzählt von den letzten Stunden des tschechischen Außenministers Jan Masaryk, der nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 Selbstmord begangen hat. 

Jaroslav Rudis, Nationalstraße. Luchterhand Literaturverlag, München 2016. ISBN 978-3630874425. Erzählt von einem Polizisten, der die „Samtene Revolution“ 1989 miterlebt und danach zum Verlierer des Umschwungs wird. 

 

Zum Weiterschauen:

Kafka (1991). Verfilmung der Lebensgeschichte Franz Kafkas. Erhältlich auf DVD und Blu-Ray.

Europa – und jetzt? Tschechien im Fokus (2013). Die Doku beleuchtet die tschechische Wirtschafts- und Kulturindustrie nach der Finanzkrise. Abrufbar auf Youtube

 

In Frankfurt:

Restaurant Prager Botschaft, Im Prüfling 28, Frankfurt-Bornheim

Deutsch-tschechische und Deutsch-Slowakische Wirtschaftsvereinigung, Liebigstr 8a, Frankfurt-Westend

Tschechische Schule ohne Grenzen, Admiral-Rosendahl-Str. 10, Neu-Isenburg

 

 

 

29. Oktober: Tag der Republik in der Türkei

 

Vom Weltreich zur Republik – und weiter in die Diktatur?

 

Über 600 Jahre lang – von 1299 bis 1918 - gehörte das Gebiet der heutigen Türkei zum Osmanischen Weltreich, das sich vom Nahen Osten über Nordafrika, die Krim, den Kaukasus, den Balkan bis nach Europa erstreckte. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zerfiel das Osmanische Reich. Am 29. Oktober 1923 erklärte Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) die Türkei zu einer Republik. Einstimmig wurde Atatürk von der Nationalversammlung zum ersten Präsidenten der jungen Republik gewählt. 

Heute ist der „Tag der Republik“ der wichtigste nichtreligiöse Feiertag in der Türkei und Nordzypern. Landesweit wird er mit Paraden, Straßenfesten, Kulturprogrammen und Schulveranstaltungen gefeiert. Die Feierlichkeiten beginnen bereits am Nachmittag des 28. Oktober und dauern 35 Stunden an. 

Die Gründung der türkischen Republik wurde von grundsätzlichen Reformen begleitet. So wurde nicht Istanbul, sondern das in Zentralanatolien gelegene Ankara zur Hauptstadt bestimmt. Kalifat und Sultanat wurden abgeschafft, die Scharia außer Kraft gesetzt, der Fes verboten, der islamische durch den gregorianischen Kalender und die arabische durch die lateinische Schrift ersetzt. Die neue Verfassung kombinierte das Schweizer Zivilrecht (und damit die Einehe und die zumindest offizielle Gleichstellung der Geschlechter), das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht. Die neue Staatsideologie (nach ihrem Gründer auch als „Kemalismus“ bezeichnet) gründet auf sechs Prinzipien: Laizismus (also Trennung von Religion und Staat), Populismus (die Interessen des Volkes sollen im Mittelpunkt stehen), Revolutionismus (im Sinne stetig fortgeführter Reformen), Nationalismus (im Sinne eines geeinten staatlichen Gebildes) und Etatismus (partielle staatliche Wirtschaftslenkung). 

Gesetzgebendes Organ ist die Große Nationalversammlung mit 600 Abgeordneten, die für vier Jahre gewählt werden. In der Türkei herrscht Wahlpflicht für alle Staatsbürger*innen ab 18 Jahren. Unter anderem ist sie Mitglied der NATO, der OECD, der UN und der G20. Seit 2005 führt sie zudem Beitrittsverhandlungen mit der EU. 

Die jüngsten politischen Entwicklungen lassen eine baldige Fortsetzung des Beitrittsprozesses jedoch nicht zu. Nach einem Putschversuch im Jahr 2016 hat die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan den bis heute andauernden Ausnahmezustand verhängt. Immer weiter werden demokratische Prinzipien seither ausgehebelt: Zahlreiche Oppositionelle und kritische Medienberichterstatter*innen wurden inhaftiert, unter ihnen auch der in Flörsheim geborene Journalist Deniz Yücel. Potentielle Kritiker*innen wurden aus dem Staatsdienst entlassen und durch Anhänger*innen der Erdogan-Partei AKP ersetzt. Auch religiöse und ethnische Minderheiten, wie Kurd*innen und Alevit*innen müssen mit Amtsenthebung rechnen. Im November 2016 wurde die christliche Oberbürgermeisterin von Mardin, Februniye Akyol, abgesetzt. Die Verfassungsreform von 2017 räumt dem Staatspräsidenten weitgehende Befugnisse ein. Die AKP,  deren Ziel neben der Etablierung autoritärer Machtstrukturen auch eine Re-Islamisierung des Lands ist, ist quasi Staatspartei. Gemeinsam mit der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) bildet sie die Regierungskoalition. Die im September 2020 gegründete Yesiller Partisi, die GRÜNE Partei der Türkei, wartet seit über einem Jahr auf ihre offizielle Zulassung – die Prüfung der Gründungsdokumente wird von der Regierung – wohl im Hinblick auf die im nächsten Jahr anstehenden Wahlen – verzögert. 

Die positive wirtschaftliche Entwicklung der Türkei in den letzten Jahren (nach Angaben des IWF rangiert die Türkei mit einem BIP von knapp 900 Millionen Dollar auf Platz 17 der Welt, auch wenn zwischen dem industrialisierten Westen und dem landwirtschaftlich geprägten Osten des Landes große Vermögensunterschiede bestehen), die Verbindungen in die Eurasische Union (unter anderem mit Russland) und nicht zuletzt die durch die geopolitische Lage begünstigte Funktion der Türkei bei der „Sicherung“ der EU-Außengrenzen stützen den autoritären Machtanspruch Erdogans. 

 

Bedrohte Urlaubsparadiese

 

Geographisch gesehen gehört die Türkei größtenteils zu Asien: Anatolien, der auf dem asiatischen Kontinent gelegene Landesteil nimmt 97 Prozent der Staatsfläche ein. 

Die Lage auf zwei Kontinentalplatten bringt mit sich, dass der Norden der Türkei zu den am stärksten erdbebengefährdeten Gebieten der Welt gehört. Der europäische Teil, die Marmararegion ist fruchtbar und von Büschen und Wäldern bedeckt. Hier liegt das wirtschaftliche Zentrum der Türkei, die Millionenmetropole Istanbul mit über 11 Millionen Einwohner*innen. Südlich von Istanbul liegt der Kurort Bursa, der für seine Schwefel- und Thermalquellen bekannt ist. Die Ägäisküste zieht mit ihren antiken Stätten (u.a. Troja, Pergamon, Milet) zahlreiche Tourist*innen an. Auch die „Türkische Riviera“ zwischen Antalya und dem Kap Anamur im Osten der Türkei mit den Badeorten Antalya, Alanya und Bodrum gehört zu den touristischen Hochburgen. Mit über 50 Millionen Urlauber*innen gehört die Türkei zu den meistbesuchten Ländern der Welt. 

Überweidung und Abholzung sind mitursächlich dafür, dass das Klima in Zentralanatolien fast schon wüstenartige Züge aufweist. Hier liegen die trockensten Gebiete der Türkei mit sehr warmen Sommern und kalten Wintern, in denen das Thermometer durchaus auf minus 20 Grad fallen kann. In Ostanatolien finden sich mit dem Ararat und dem Süohan Dagi die höchsten Berge der Türkei. 

Wie deutlich der Klimawandel in der Türkei bereits spürbar ist, zeigte sich im Sommer diesen Jahres. Eine mehrwöchige Hitzeperiode mit Temperaturen weit über 40 Grad führte auch in der Türkei zu ausgedehnten Waldbränden. Im Nordosten des Landes, am Schwarzen Meer löste heftiger Starkregen Überschwemmungen und Erdrutsche aus und forderte 80 Todesopfer. Aufgrund der Erwärmung breitet sich im Marmara-Meer ein Algenschleim aus, der Pflanzen und Tiere im Meer gefährdet. 

Aufgrund der landschaftlichen Vielfalt verfügt die Türkei über die höchste Biodiversität des Nahen Ostens. Wilderei führte jedoch dazu, dass einige Tierarten ausgestorben sind, darunter der Asiatische Löwe und der Kaspische Tiger. Insgesamt 1,3 Prozent der Staatsfläche steht unter Naturschutz. Zwei der 41 Nationalparks gehören zum Weltnaturerbe der UNESCO. Allerdings genießt der Umwelt- und Klimaschutz derzeit nicht die höchste (finanz-)politische Priorität.

Das macht sich auch in der Infrastruktur bemerkbar: Der Schienenverkehr ist in der Türkei wenig ausgebaut, abgesehen von der Strecke zwischen Istanbul und Ankara verkehren Personenzüge oft nur ein- oder zweimal täglich. Sammeltaxis (Dolmus) ergänzen in vielen Städten den ebenfalls unzureichenden öffentlichen Nahverkehr und bieten gegenüber Bussen erweiterte Flexibilität bei Abfahrtszeiten und Streckenführung. 

 

Vielvölkerstaat zwischen Tradition und Moderne

 

Während die Türkei nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend zum Einwanderungsland wurde (beispielsweise flohen nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei zahlreiche Uiguren aus China in die Türken, nach dem Zerfall der Sowjetunion folgten Aussiedler*innen aus dem Balkan, Griechenland und dem Nahen Osten und ab 2016 kamen 2,8 Millionen Schutzsuchende vor allem aus Syrien), verließen vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Türk*innen ihre Heimat, um als „Gastarbeiter*innen“ in Nord- und Mitteleuropa zu leben. In Frankfurt sind heute 25.212 Menschen mit türkischem Pass zu Hause. 

Die Türkei ist ein multiethnischer Staat mit 20 unterschiedlichen Sprachen und zahlreichen Volksgruppen, von denen die der Türk*innen (rund 75 Prozent) und Kurdinnen (rund 11 Prozent) die größten sind. Angehörige der Minderheiten wurden immer wieder verfolgt und marginalisiert. Die Unterdrückung der kurdischen Kultur führte zur Gründung der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), die seit den 80er Jahren für einen unabhängigen sozialistischen kurdischen Staat kämpft. Der Völkermord an den Armenier*innen von 1915 gehört zu den erschütterndsten Ereignissen der türkischen Vergangenheit. Einst waren 1,4 Millionen Armenier*innen in der Türkei zu Hause, heute sind es noch rund 110.000. Im September 1955 wurden bei gewalttätigen Ausschreitungen mehr als 100.000 Griech*innen aus der Türkei vertrieben. Lebten zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch rund 20 Prozent Christ*innen in der Türkei, sind es heute nur noch 0,2 Prozent. 99 Prozent der heutigen Bevölkerung bekennt sich zum Islam; in der Mehrzahl zum sunnitischen Islam (allerdings werden in offiziellen Statistiken der Türkei alle, die nicht explizit einer anderen Religion angehören, automatisch als Muslim*innen erfasst). Offiziell ist die Türkei nach wie vor laizistisch geprägt; der Islam ist damit nicht Staatsreligion und auch die Scharia findet keine Geltung. Inoffiziell gewinnen allerdings auch in der Türkei die konservativ-muslimischen Strömungen immer mehr an Einfluss. Das ist auch an den Schulen merkbar. So wird das Kopftuchverbot im Unterricht zunehmend aufgeweicht und Religion zum Pflichtfach. Die Bevölkerung der Türkei ist jung – rund ein Viertel ist unter 14 Jahren alt. Vor allem im ärmeren Osten des Landes sind die Klassen daher sehr groß und die Ausstattung der Schulen sehr schlecht. Zu den weiterführenden Schulen gehören auch die Imam-Hatip-Schulen, die als Berufsschulen auf eine Tätigkeit als Imam oder Prediger vorbereiten. 

Die ethnische Diversität der türkischen Bevölkerung spiegelt sich in Kultur und Küche des Landes wieder: Das islamische Bilderverbot während der Zeit des Osmanischen Reiches führte dazu, dass vor allem die dekorative Kunst – Teppichknüpferei, Kalligraphie und Miniaturmalerei etwa auf Kacheln – an Bedeutung gewann. Die traditionelle türkisch-anatolische Volksmusik wird von der Saz, einer Art Laute, begleitet. Auch Blasinstrumente wie die Zuma oder die Hirtenflöte Kaval sind typisch. Zahlreiche europäische Komponist*innen der Klassik – wie Joseph Haydn oder Wolfgang Amadeus Mozart-  ließen sich von türkischer Musik beeinflussen. Musik und Tanz sind elementarer Bestandteil offizieller Feiertage, aber auch großer Familienfeiern wie Hochzeiten. Traditionelles Element darstellender Kunst ist das Karagöz, ein Schattenspiel, bei der Figuren aus Kamel- oder Kuhhaut hinter einem weißen Vorhang bewegt werden. 

Die türkische Küche ist von nomadischer Kochtradition ebenso beeinflusst wie von Traditionen des Nahen Ostens und des Mittelmeerraumes. Zum türkischen Frühstück gehören Brot, Käse, Oliven und schwarzer Tee. Zwischendurch oder als Vorspeise werden Meze gereicht, kleine Appetithäppchen, die warm oder kalt sein können. Dazu gehören beispielsweise Joghurtcremes, Salate, Humus, Meeresfrüchte oder gefüllte Teigtaschen. Das türkische Weißbrot Ekmek gibt es zu jeder Mahlzeit. Eine beliebte Zwischenmahlzeit sind Simit, Sesamkringel, die es an jeder Straßenecke zu kaufen gibt. Das bekannteste Hauptgericht ist der Döner Kebap. Anders als hierzulande werden die am Spieß gegrillten Fleischscheiben meist nicht im Fladenbrot, sondern mit Reis und Salat als Tellergericht serviert. Neben dem „Döner“ gibt es eine Vielzahl anderer Kebap-Arten, etwa mit Lamm- oder Hackfleisch. In zahlreichen Varianten werden auch Köfte, türkische Frikadellen, angeboten. Auch hierzulande bekannt sind Börek und Gözleme – mit Hackfleisch oder Gemüse und Käse gefüllte Taschen bzw. Fladenbrote aus Yufka-Teig und die „türkische Pizza“ Lamacun. Zum Dessert werden kleine, aber sehr gehaltvolle Süßspeisen gereicht, etwa Baklava, ein in Sirup getränktes Gebäck mit Pistazien oder Nüssen, oder Halva aus Sesammus oder Lokum („Türkischer Honig“). 

In türkischen Tavernen werden kalte und warme Vorspeisen auf großen Tabletts serviert, von denen sich jeder Gast bedienen kann. Das Bedienen direkt aus den Schalen und Teilen der Speisen trägt zur gastfreundlichen und entspannten Atmosphäre bei Tisch bei. 

Der traditionelle schwarze Tee (Çay) wird stark gesüßt in kleinen Gläsern genossen. Er ist nicht nur beliebtes Getränk, sondern eine gesellschaftliche Institution: Nicht nur in Dörfern, auch in den Städten, trifft sich die – zumeist männliche – Nachbarschaft, um vor dem Haus oder an der Straßenecke gemeinsam Çay zu trinken, zu schwätzen oder ein Würfelspiel auszutragen. 

Türkische Spezialitäten könnt ihr im Nordend beispielsweise im Restaurant Sümela oder im Mersin Kebap genießen, der BIZIM Market in der Glauburgstraße bietet nicht nur frische Lebensmittel, sondern an einigen Tagen auch hausgemachte Gözleme an. Als Stadt mit großer türkischstämmiger Community bietet Frankfurt (und Umgebung) auch zahlreiche Gelegenheiten, die Kultur des Landes kennenzulernen : Einmal im Jahr gibt das Türkische Filmfestival einen Einblick in die cineastische Szene der Türkei. Auch das türkische Theater-Festival Tiyatro hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe der Frankfurter Kulturszene entwickelt. Und in der Jade Lounge 555 in unserer Nachbarstadt Offenbach könnt ihr türkische Partys feiern. Seit 2013 unterhält Frankfurt eine Partnerschaft mit der zwischen Istanbul und Ankara gelegenen Stadt Eskisehir. 

 

Zum Weiterlesen:

Asli Erdogan, Das Haus aus Stein. Penguin Verlag München 2019, ISBN 978-3328600763. Die Autorin verarbeitet in dem Roman ihre eigene Erfahrung der Inhaftierung nach dem Putschversuch von 2016.

Selahattin Demirtas, Morgen Grauen. Penguin Verlag München 2018. ISBN 978-3328600619. Erzählungen über das Leben in der Türkei zwischen Tradition und Moderne. 

 

Zum Weiterschauen:

Bir Baskadir – Acht Menschen in Istanbul. Achtteilige Serie, die Istanbuler*innen in ihrem Alltag porträtiert. Abrufbar bei Netflix.

Wie eine Nacht die Türkei veränderte. Doku von Can Dündar, die die Veränderungen im Land nach dem Putschversuch von 2016 zeigt. Abrufbar in der ZDF-Mediathek.

 

In Frankfurt:

Restaurant Sümela, Bornheimer Landst. 77, Frankfurt-Nordend

Mersin Kebap, Berger Str. 85, Frankfurt-Nordend

BIZIM Market, Glauburgstr. 5, Frankfurt-Nordend

Jade Lounge 555, Berliner Str. 210, Offenbach

 

 

 



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