Diversity Diary: Klimakiller Wirtschaftswachstum

 

15. August: Gwangbokjeol – Tag der Unabhängigkeit in Südkorea

 

Vom Ackerland zum Wirtschaftsmogul

 

Bis zum 15. August 1948 bildeten Nord- und Südkorea die japanische Kolonie Chōsen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der nördliche Teil Chōsens von den Sowjets, der südliche von den amerikanischen Truppen besetzt. Dies führte letztlich zur Teilung Koreas. Im Juni 1950 griff Nordkorea den Süden an und entfesselte den Koreakrieg, der drei Jahre andauern und Millionen Todesopfer fordern sollte. Bis heute wurde ein echter Friedensvertrag nicht unterzeichnet; im Zuge der Annährung nach den Olympischen Spielen 1988 von Seoul schlossen beide Länder 1991 einen Nichtangriffspakt. Bis heute ist das Leben in Südkorea von der Angst durch eine erneute Invasion der nordkoreanischen Truppen geprägt. Das Nationale Sicherheitsgesetz verbietet Südkoreaner*innen Kontakte nach Nordkorea, auch darf Nordkorea in der Öffentlichkeit nicht lobend erwähnt oder beworben werden; Zuwiderhandlungen können sogar die Todesstrafe nach sich ziehen. 

Die Wiedervereinigung mit Nordkorea ist jedoch als Verfassungsziel festgeschrieben.

In den Jahrzehnten seit der Teilung haben sich die beiden koreanischen Staaten auseinanderentwickelt: Während Nordkorea ein sozialistischer, von der Welt weitgehend isolierter Staat ist, schaffte Südkorea den Sprung vom Agrarland zur wohlhabenden Industrie- und Wirtschaftsmacht. Die Hauptstadt Seoul ist heute die Stadt mit der viertgrößten Wirtschaftsleistung weltweit. Vor allem im Bereich IT und Computertechnik ist Südkorea marktbeherrschend. Allein die Firma Samsung erwirtschaftet ein Fünftel des Bruttoinlandproduktes; Samsung-Chef Lee Jae-young gilt als reichster Mann Südkoreas und als mächtiger als der Präsident. Dass ausgerechnet er, der aktuell wegen Korruption im Gefängnis sitzt, einer der Gefangenen ist, die traditionell zum Unabhängigkeitstag begnadigt werden sollen, hat mehr als einen Beigeschmack.

 

Die junge Demokratie

 

In Abgrenzung zur „Demokratischen Volksrepublik Korea“ wird Südkorea auch als „Republik Korea“ bezeichnet. Demokratische Strukturen konnten sich allerdings erst im Laufe der 80er Jahre etablieren – zuvor wechselten sich quasi-autoritäre Regierungen und Militärregimes ab. Staatsoberhaupt ist der vom Volk direkt auf fünf Jahre gewählte Präsident, seit 2017 Moon Jae-in. Er ernennt den/die Premierminister*in sowie die Kabinettsmitglieder, ist Befehlshaber der Streitkräfte und setzt Gesetze in Kraft. Die Gukhoe, die Nationalversammlung, verfügt über 299 Sitze. 243 Abgeordnete werden direkt gewählt, die übrigen Sitze nach Verhältnis der Stimmen unter den Parteien verteilt. Die Parteienlandschaft ist vielfältig, derzeit stärkste Partei ist die sozialliberale Debobureo Minjudang, die Gemeinsame Demokratische Partei. Eine GRÜNE Partei gibt es in Südkorea nicht.

 

Hoher Lebensstandard und gute Bildung

 

Südkorea zählt zu den bevölkerungsreichsten und am dichtest besiedelten Staaten der Erde. Mehr als 500 Einwohner*innen leben hier auf einem Quadratkilometer, davon allein die Hälfte – über 25 Millionen Menschen - im Großraum Seoul, der nach Tokio der zweitgrößte Ballungsraum der Welt ist. Die Hauptstadt selbst hat mehr als 10 Millionen Einwohner*innen. 92 Prozent der Südkoreaner*innen leben in Städten. 

Südkorea hat eine hohe Lebenserwartung, die in den letzten Jahrzehnten so stark gestiegen ist, dass die Bevölkerung überaltert ist. 13 Prozent sind 65 Jahre und älter. Dennoch ist Südkorea weltweit das Land mit der höchsten Suizid-Rate.

Ethnisch ist die Bevölkerung Südkoreas weitgehend homogen. Eingewandert sind vor allem Arbeiter*innen aus anderen asiatischen Ländern sowie US-Amerikaner*innen, die den Stadtteil Itaewon von Seoul prägen. Etwa 29.000 Menschen gelang bis 2015 die Flucht von Nord- nach Südkorea. Viele Koreaner*innen leben umgekehrt im Ausland, vor allem in den USA und in China. In Frankfurt sind 2.659 Südkoreaner*innen zu Hause. 

Eine Staatsreligion gibt es in Südkorea nicht; etwa die Hälfte der Südkoreaner*innen bekennt sich zu keiner Religion. Verbreitet sind Konfuzianismus, das Christentum und der Buddhismus. Nur noch wenige praktizieren den ursprünglichen koreanischen Schamanismus. Religiöse Feiertage werden in Südkorea – mit Ausnahme von Weihnachten am 25. Dezember und dem Geburtstag Buddhas Ende Mai – nicht gefeiert. Das jeweils dreitägige Neujahrs- und Erntefest hat traditionelle Wurzeln. 

Die Homogenität der Bevölkerung spiegelt sich in der Sprache wieder – es gibt kaum regionale Dialekte. Bis 1945 war die chinesische Schrift Hanja in Südkorea Amtsschrift, seither hat sich das koreanische Alphabet Hangeul durchgesetzt, das aber ähnlich der chinesischen Schrift Buchstaben zu Silbenblöcken kombiniert. Für viele koreanische Begriffe wird in der Alltagssprache ein chinesisches Wort benutzt, auch Englisch, das in Korea bereits in der Grundschule unterrichtet wird, hat Eingang in die Alltagssprache gefunden. 

Das koreanische Bildungssystem ist gut ausgebaut und zentralisiert. Neben Englisch wird als zweite Fremdsprache unter anderem Deutsch unterrichtet. Nach der verpflichtenden sechsjährigen Grundschule und dreijährigen Mittelschule wechseln fast alle Schüler*innen auf eine allgemeinbildende oder berufsvorbereitende High-School. Wie in anderen asiatischen Ländern stehen die Schüler*innen aber auch in Südkorea unter hohem Leistungsdruck – oft lernen sie 12 Stunden am Tag und besuchen nach dem eigentlichen Unterricht noch Nachhilfeschulen. Denn die Note der Abschlussprüfung hat entscheidende Bedeutung – sie bestimmt darüber, welche Universität man besuchen kann und welche Berufschancen man in Zukunft hat. Die Prüfung ist so wichtig, dass sogar die Verkehrsinfrastruktur darauf Rücksicht nimmt; so wird etwa der Flugplan so angepasst, dass die Starts die Prüflinge nicht stören. Eine Besonderheit in Südkorea ist, dass es auch heute noch Universitäten gibt, die allein Frauen vorbehalten sind. 

 

Klimakiller Wirtschaftswachstum

 

Südkorea liegt in der gemäßigten Klimazone; auf das milde und sonnige Frühjahr folgen oft heiße, feuchte Sommermonate, die von Ende Juni bis September den Monsun mit sich bringen. Auch die Herbsttage sind in Korea sonnig, die Winter sehr kalt und trocken. Anders als Japan ist Südkorea kaum von Naturkatastrophen wie Erdbeben betroffen. 

Das schnelle Wirtschaftswachstum ging allerdings mit gravierenden Auswirkungen für Natur und Umwelt einher. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Land so stark unter Abholzung gelitten, dass die Mischwälder an vielen Stellen verschwunden und die ursprünglich auch in Korea beheimateten Tiger, Leoparden und Bären ausgestorben sind. Die wachsende Industrie und der zunehmende Verkehr – Südkorea hat eine der höchsten Motorisierungsraten weltweit - führten nicht nur zu Entstehung von saurem Regen, sondern auch zu einer hohen CO2-Belastung: Pro Kopf werden jährlich 9,5 Tonnen CO2 erzeugt- 2015 hatte Südkorea damit die neunthöchste Belastung der Welt. Der steigende Konsum und die damit einhergehenden Müllberge und Abwässer verunreinigen die Gewässer. Die Stadt Seoul hat von allen Städten der OECD-Mitgliedsstaaten die höchste Luftverschmutzung. Seit 2008 investiert Südkorea verstärkt in die Förderung erneuerbarer Energien, in nachhaltiges Wirtschaften, Renaturierung von Flüssen und klimafreundlichen Verkehr. 

Nur 3,9 Prozent der Staatsfläche Südkoreas stehen derzeit unter Naturschutz. 

 

K-Pop und Baduk: Das kulturelle Leben in Südkorea

 

Mit der politischen Ausrichtung hat sich auch das kulturelle Leben Nord- und Südkoreas auseinanderentwickelt. Seit den 90er Jahren sind koreanische Filme, Serien und Musik weltweit beliebt – dieses Phänomen wird als Haliyu, als „koreanische Welle“ bezeichnet. Dies gilt vor allem für den „K-Pop“, die koreanische Popmusik: Das Lied „Gangnam Style“ des Rappers Psy avancierte 2012 in zahlreichen europäischen Ländern zum Sommerhit. Der koreanische Film „Parasite“ wurde 2020 mit vier Oscars ausgezeichnet. 

Wie in Japan ist Karaoke auch in Südkorea ein beliebtes Freizeitvergnügen, an vielen Orten gibt es sogenannte „Noraebangs“, Räume, in denen Karaoke gesungen werden kann. Wichtiger Teil der koreanischen Kultur sind Spiele – vor allem das japanische Go-Spiel, das auf koreanisch „Baduk“ heißt, und Online-Spiele. Spielpartien werden sogar im Fernsehen übertragen und erfolgreiche Spieler*innen werden in Korea wie Stars verehrt. Auch wenn sich der „E-Sport“ wachsender Beliebtheit erfreut, ist der Nationalsport Südkoreas nach wie vor Taekwondo, die wohl bekannteste koreanische Form der Kampfkunst. Sehr beliebt sind – vor allem nach der Fußballweltmeisterschaft 2002, die Südkorea gemeinsam mit Japan ausrichtete – Fußball, Baseball und Basketball. 

Wie in allen asiatischen Küchen ist Reis wesentlicher Bestandteil des Essens. Er wird beispielsweise zu Bulgogi gereicht, zu Rindfleischstreifen, die in mit Sojasauce, Sesam und Gewürzen mariniert und über einem Holzkohlefeuer gebraten werden. Kimchi heißt das koreanische Nationalgericht, das zu keiner Mahlzeit fehlen darf. Es ist ein scharf eingelegtes Gemüse. Zu jeder koreanischen Mahlzeit gehört außerdem eine Suppe, beispielsweise Doenjangguk, die aus fermentierten Sojabohnen mit Gemüse und Muscheln hergestellt wird. Für europäische Mägen – und Seelen - sicherlich eine große Überwindung ist Bosintang, eine Suppe, die aus Hundefleisch gekocht wird.

Bosingtang wird man daher auf Frankfurter Speisekarten wohl vergeblich suchen. Koreanisches Essen könnt ihr ansonsten an vielen Orten der Stadt genießen, beispielsweise im „Sonamu“ auf der Berger Straße, im CoCo auf der Großen Eschenheimer Straße oder im GOKIO im Oeder Weg. In der Fahrgasse eröffnete im vergangenen Jahr das koreanische Café, „Kyu Bang“, das zum Beispiel das beliebte Dessert Bingsoo mit Eis, Milch und Reiskuchenstücken anbietet. 2005 war Südkorea Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Anlass entstand der Koreanische Garten im Grüneburgpark, der im Stil der koreanischen Gelehrtengärten angelegt ist und die vier Jahreszeiten wiederspiegelt. Leider fiel der Morgentaupavillon 2017 einem Brandanschlag zum Opfer und wurde vollständig zerstört. Zur Zeit wird er mit koreanischer Unterstützung wieder aufgebaut. 

 

Zum Weiterlesen:

Cho Man-Joo: Kim Jiyoung, geboren 1982. Kipenheuer&Witsch, 2021, ISBN 978-3462053289. Erzählt vom Leben einer Mittdreißigerin am Rande von Seoul, das von Frustration und Unterwerfung geprägt ist. 

 

Zum Weiterschauen:

Parasite (2019). Der preisgekrönte Film thematisiert die Unterschiede zwischen Reich und Arm in der südkoreanischen Gesellschaft. Abrufbar bei Amazon Prime.

 

In Frankfurt:

Kyu Bang, Fahrgasse 23, Frankfurt-Innenstadt

Sonamu, Berger Str. 184, Frankfurt-Bornheim

CoCo, Große Eschenheimer Str. 41, Frankfurt-Innenstadt

GOKIO, Oeder Weg 26, Frankfurt-Nordend

 

 

15. August: Obonfest in Japan

 

Japaner*innen glauben, dass ihre verstorbenen Ahnen einmal im Jahr zurückkehren, um ihre Familien zu besuchen. Aus diesem Anlass wird Mitte August  (im östlichen Teil Japans bereits Mitte Juli) das Obonfest gefeiert. Das Fest hat konfuzianisch-buddhistische Wurzeln und dauert drei Tage.

Während der Feiertage kleiden sich Familien feierlich (meist in Yukata, der Sommervariante des traditionellen Kimono), suchen gemeinsam die Gräber der Verstorbenen auf und säubern diese. Anschließend bringen sie Speiseopfer in den Tempeln dar, welche die Leiden der Verstorbenen in der Hölle lindern sollen. Gurken und Auberginen symbolisieren dabei die „Seelenpferde“, die die Seelen der Verstorbenen rasch zurück ins Haus ihrer Familien tragen. Zu den Riten gehört auch das Abbrennen von Scheiterhaufen, oft in Form eines Kanji-Zeichens. Mit dem Okuribi, dem „Willkommensfeuer“ werden die Seelen der Ahnen begrüßt. Am letzten Abend findet die Zeremonie des Toro nagashi statt, bei der brennende Laternen in den Fluss gesetzt werden, um die Seelen der Verstorbenen zurück zu geleiten. 

Aber nicht nur die Toten, sondern auch die noch Lebenden stehen im Mittelpunkt der Feierlichkeiten: Ähnlich wie bei uns das Weihnachtsfest, führt Obon Familien, die oft weit verstreut voneinander leben, zusammen. Traditionsgemäß ist das Obon-Fest mit einem Tanzfestival verbunden. Die Tänze (Bon-Odori) erzählen die Geschichte eines buddhistischen Jüngers, der in einer Vision seiner verstorbenen Mutter begegnet, die sich im Geisterreich der Selbstsucht hingab. Um sie zu befreien, feierte der Jünger auf Anraten Buddhas ein großes Fest. 2011 gab es aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Japan auch in Frankfurt einen „Frankfurt Ondo“, bei dem neben klassischer Musik auch traditionelle japanische Musik dargeboten und Tänze aufgeführt wurden. 

 

 

17. August: Nationalfeiertag in Indonesien

 

350 Jahre Kolonialstaat

 

Insgesamt 17.508 Inseln bilden den Staat Indonesien. Damit ist Indonesien der größte Inselstaat der Erde. Indonesien liegt auf zwei Kontinenten – Neuguinea gehört zu Australien, der restliche Teil des Inselstaates liegt in Asien. 

1891 fanden Forscher in Ost-Java Überreste von Urmenschen, die belegen, dass die indonesischen Inseln bereits vor 1,8 Millionen Jahren besiedelt waren. Durch arabische Händler auf dem Seeweg von China nach Indien gelangte im 15. Jahrhundert der Islam nach Indonesien. Zur gleichen Zeit eroberten die Europäer – zunächst die Portugiesen, ab 1600 die Niederländer - die indonesischen Inseln. Bis zur Besetzung durch Japan im  Zweiten Weltkrieg – also 350 Jahre lang - blieb Indonesien niederländische Kolonie.  Am 17. August 1945 erlangte der Inselstaat schließlich die Unabhängigkeit. 

Heute ist Indonesien eine Präsidialrepublik; der Präsident ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern zugleich Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee. Der Majelis Permusyawaratan Rakyat, das Parlament, besteht aus zwei Kammern, dem Dewan Perwalkilan Rakyat mit 550 Abgeordneten und dem Regionalrat (Dewan Perwakilan Daerah) mit 128 Mitgliedern. Derzeit sind 10 Parteien im Parlament vertreten, führend ist die Partai Demokrasi Indonesia, die auch den Präsidenten Joko Widodo stellt. 

 

Illegale Abholzung und Gewässerverschmutzung gefährden Klima und Umwelt

 

Das Klima ist tropisch und – vor allem auf Java, den kleinen Sundainseln und den Aruinseln vom Monsun bestimmt. Von Dezember bis März dauert die Regenzeit. Indonesien gehört zu den größten Regenwaldgebieten der Welt. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist die Zahl der vorkommenden Tier- und Pflanzenarten besonders hoch. Allerdings fallen auch hier große Teile des Regenwaldes der Abholzung zum Opfer. Allein zwischen 1985 und 1997 wurden 17 Prozent des Regenwaldes vernichtet - dies geschah größtenteils illegal. Auf den gerodeten Flächen entstehen Palmölplantagen; das Holz wird zu Papier verarbeitet. Die Folge: Zahlreiche Tiere und Pflanzen sind akut vom Aussterben bedroht! Außerdem lassen sich 80 Prozent der CO2-Emissionen des Landes auf die Entwaldung zurückführen, vor allem, weil große Teile der Wälder einfach abgebrannt werden. Der Rauch zieht bis Malaysia, Singapur und Brunei und gefährdet auch die Gesundheit der dort lebenden Menschen.

Ein weiteres Problem ist die Verschmutzung von Flüssen und Meeren durch Industriebetriebe. Obwohl  Gewässerverunreinigung  seit 2001 verboten ist hat das US-Unternehmen Freeport-McMoRan, das in Westguinea die größte Goldmine der Welt betreibt und durch Minenabraum den Fluss belastet , keine Umweltauflagen erhalten. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie wirtschaftliche Interessen das politische Interesse am Klima- und Umweltschutz überlagern – das Unternehmen ist der größte Steuerzahler Indonesiens. Auch saure Grubenwässer sind ein großes Problem. Der fortschreitenden Zerstörung der Korallenriffe wird teils durch künstliche Neuanlage von Riffen und Ausweisung von Schutzgebieten begegnet.

Zur menschengemachten Umweltzerstörung kommt die natürliche Gefährdung der Artenvielfalt durch Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis. Das Seebeben am 26. Dezember 2004 richtete auch in Indonesien verheerende Schäden an und kostete über 170.000 Menschenleben. 

Im viertbevölkerungsreichsten Staat der Erde ist die Armut groß

 

Neben der Umwelt- und Luftverschmutzung wirken sich auch andere Faktoren negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus: Über 50 Prozent der männlichen Indonesier sind Raucher. Hinzu kommt – vor allem auf den kleineren Inseln – ein Mangel an Ärzten und Krankenhäusern. Seit 2014 gibt es in Indonesien eine staatliche Gesundheitsversicherung. Auch wenn die Zahl der Unterernährten in den letzten Jahren gesenkt, das Bildungswesen ausgebaut werden konnte und die Wirtschaft wächst, lebt mehr als ein Viertel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. 

Die Bevölkerung Indonesiens hat sich seit 1950 mehr als verdreifacht. Heute ist Indonesien mit 274 Millionen Einwohner*innen das viertbevölkerungsreichste Land der Erde. Jährlich kommen rund 3 Millionen Menschen dazu. 

Am dichtest besiedelt ist die Insel Java, auf der sich auch die Hauptstadt Jakarta befindet. Mehr als die Hälfte der Indonesier*innen sind hier zu Hause. Schon seit Ende der 60er Jahre versucht die Regierung, Familien von Java auf andere Inseln umzusiedeln. Dies führt regelmäßig zu Konflikten mit den dort lebenden Menschen, denn die einzelnen Inseln werden von rund 360 verschiedenen Völkern bewohnt. Diese zu einer gemeinsamen Nation zusammenzubringen ist eines der Haupt-Leitbilder indonesischer Politik. Seit der Erlangung der Unabhängigkeit wird die chinesische Minderheit in Indonesien in vielen Bereichen benachteiligt und die Ausübung ihrer Kultur, beispielweise die Feier des chinesischen Neujahrsfestes, verboten. 

 

Das Land mit den meisten Muslim*innen weltweit

 

230 Millionen Indonesier*innen bekennen sich zum Islam. Indonesien ist damit das Land mit den meisten Muslim*innen weltweit. Der Islam ist zwar nicht Staatsreligion, allerdings schreibt die Verfassung den Indonesier*innen vor, dass sie sich entweder zum Islam oder zum Christentum, zum Buddhismus, Konfuzianismus oder Hinduismus bekennen müssen. Traditionelle Religionen können damit nur inoffiziell praktiziert werden. Auch in der indonesischen Gesellschaft konnte in den letzten Jahren eine vermehrte Hinwendung zur Religion, verbunden mit einem politischen Rechtsruck, beobachtet werden. Vor allem in der Provinz Aceh ist das Alltagsleben streng nach den Vorschriften der Scharia geregelt; Verstöße gegen Kleidungs- und Verhaltensnormen werden von der Religionspolizei geahndet.

 

Indonesien – beliebtes Reiseziel

 

Indonesien ist ein beliebtes Reiseziel, vor allem die Insel Bali zieht jedes Jahr viele tausend Urlauber*innen an. Die Insel Java lockt mit den Weltkulturerbestätten Borobudur und Prambanan; Sumatra ist mit seinen Nationalparks vor allem für Naturfans attraktiv. 

Wer nach Bali oder Java reist, sollte sich eine Vorführung des wayang kulit, des traditionellen Schattentheaters, nicht entgehen lassen. 

Beliebte Reisemitbringsel sind gebatikte Stoffe; die Kunst der Batik, also des Verzierens mit Blumen-, Tier- und Spiralmustern, ist typisch für Indonesien. 

Wie überall in Asien ist auch in der indonesischen Küche Reis Grundnahrungsmittel und wird zu jeder Mahlzeit verzehrt. Dazu werden Fisch und Meeresfrüchte oder Hühnerfleisch serviert. Ayam goreng (gebratenes Huhn) ist das indonesische Nationalgericht, auch Sate-Spieße stehen auf vielen Speisekarten. Das international verbreitete Gericht „Nasi Goreng“ ist kein ursprünglich indonesisches Gericht, sondern hat chinesische Wurzeln. Der niederländische Einfluss hat sich auch bei den Süßspeisen, etwa Kuchen und Torten, erhalten. 

In Frankfurt sind 546 Indonesier*innen zu Hause. In Sachsenhausen gibt es eine indonesisch-muslimische Gemeinde; die indonesische Küche könnt ihr zum Beispiel im Restaurant Wayang in Bockenheim probieren. 

 

Zum Weiterlesen:

Laksmi Pamuntjak: Alle Farben Rot. Ullstein, 2015. ISBN 978-3550080869; erzählt von der Zeit der Massenmorde an Kommunist*innen unter Suharto 1965. 

 

Zum Weiterschauen:

Ein Jahr in der Hölle (2016): Vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges von 1965 verliebt sich der Korrespondent Hamilton (Mel Gibson) in die Botschaftsangestellte Jill (Sigourney Weaver). Abrufbar bei Amazon Prime.

Inseln des Glaubens (2018), begleitet Menschen verschiedenen Glaubens und aus verschiedenen Kulturen in sieben indonesischen Provinzen beim Kampf gegen den Klimawandel. Abrufbar bei Netflix.

 

In Frankfurt:

Restaurant Wayang, Leipziger Str. 85-87, Frankfurt-Bockenheim

Indonesisch-muslimische Gemeinde, Strahlenberger Weg 16, Frankfurt-Sachsenhausen

 

19. August: Nationalfeiertag in Afghanistan

 

Islamische Republik im Fokus internationaler Interessen

 

Zwischen Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, China und Pakistan liegt Afghanistan. Die zentrale Lage machte das Land seit jeher zum Spielball internationaler Interessen. Im 19. Jahrhundert gelang es den Briten,  das damalige paschtunische Königreich zu erobern und Teile davon der Indischen Kronkolonie einzuverleiben. Erst 60 Jahre später, am 19. August 1919,  erlangte Afghanistan – jetzt unter diesem Namen – die Unabhängigkeit. Doch auch die Russen verfolgten strategische Ziele in Afghanistan. 1979 marschierten die Sowjets in das zentralasiatische Land ein und lösten einen zehnjährigen Krieg gegen die afghanischen Guerillas und deren Unterstützer*innen USA, Pakistan und Saudi-Arabien aus. Im Zuge dessen kamen die Taliban an die Macht, die in den von ihnen eroberten Provinzen die westlich-demokratischen Strukturen durch strenge islamische Regeln ersetzten. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 marschierten die USA in Afghanistan ein, um die Taliban zu bekämpfen. Seit dem Abzug der NATO-Truppen im Sommer diesen Jahres sind die Taliban erneut auf dem Vormarsch.

Viele der auch bei Tourist*innen beliebten Kulturdenkmäler – beispielsweise die Buddha-Statuen von Bamiyam – wurden im Krieg zerstört. Nach wie vor warnt das Auswärtige Amt vor Reisen nach Afghanistan. 

 

Islamische Republik ohne Parteien

 

Die Verfassung von 2004 machte Afghanistan zur islamischem Republik. Der Präsident wird auf fünf Jahre direkt vom Volk gewählt. Er ist Staats- und Regierungschef und führt die Streitkräfte. Zwingend muss er dem Islam angehören. Die Nationalversammlung gliedert sich in die Wolesi Dschirga (Haus des Volkes) und die Moschrano Dschirga (Haus der Älteren). Erstere verfügt über 249 Sitze, von denen 68 für Frauen und 10 für die Nomaden-Minderheit der Kutschis reserviert sind. Zur Wahl können sich nur Einzelpersonen, nicht jedoch Parteien stellen. Das Haus der Ältesten setzt sich zu zwei Dritteln aus Delegierten der 34 Provinzen und der 329 Distrikte und zu einem Drittel aus vom Präsidenten bestimmten Abgeordneten zusammen, wobei letztere zur Hälfte Frauen sein müssen. 

 

Strenge islamische Regeln prägen den Alltag

 

Die „Afghanen“ gibt es nicht – die Bevölkerung setzt sich aus einer Vielzahl von Ethnien zusammen, die insgesamt 49 Sprachen und über 200 Dialekte sprechen. Persisch (Dari) und Paschto sind die offiziellen Amtssprachen Afghanistans. 40 % der Einwohner*innen gehören den Paschtunen an, die als Begründer des Landes im Jahr 1747 angesehen werden, rund 27 Prozent sind Tadschiken, also Teil der persischsprachigen und zugleich sunnitischen Bevölkerung, jeweils 9 Prozent gehören zu den Usbeken und zu den Hazara. Letztere werden aufgrund ihres schiitischen Glaubens in Afghanistan verfolgt und schlimmstenfalls ermordet. Der Sturz des Taliban-Regimes vertiefte die Konflikte zwischen den Volksgruppen.

Nahezu 100 Prozent der Afghan*innen bekennen sich zum Islam, in der Mehrheit zu den Sunniten. Gepflegt werden jedoch  - wie im Iran – auch zoroastische Bräuche wie das Neujahrsfest Nouruz. Religiöse Minderheiten, vor allem Christ*innen werden marginalisiert und verfolgt. 

Frauen müssen sich den strengen islamischen Gesetzen unterwerfen. Vor allem in Städten gehört die Burka zum Alltagsbild; Frauen ohne männliche Begleitung müssen mit Übergriffen rechnen. Unter den Taliban war Frauen und Mädchen der Schulbesuch und die Aufnahme einer Berufstätigkeit untersagt. Drei Viertel aller Frauen können weder lesen noch schreiben.  Im März diesen Jahres trat ein Gesetz in Kraft, das – ähnlich wie im Iran - Mädchen und Frauen verbietet, in Anwesenheit von Männern zu singen. Ehefrauen dürfen ohne Erlaubnis ihres Mannes nicht einmal das Haus verlassen. Das „Gesetz zur Regelung des Familienlebens“ verpflichtet sie, ihren Männern zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse jederzeit zur Verfügung zu stehen. Viele Frauen werden zwangsverheiratet und oft früh schwanger, denn aufgrund des desolaten Gesundheitssystems hat kaum eine Frau Zugang zu Verhütungsmitteln. In der Folge hat sich die Bevölkerung allein in den letzten 70 Jahren mehr als verfünffacht, auch wenn die Kindersterblichkeit eine der höchsten der Welt ist. 

In Afghanistan gelten sowohl der iranische Sonnenkalender als auch der islamische Mondkalender. Staatliche Feiertage richten sich nach dem Sonnenkalender, der mit der Pilgerfahrt des Propheten Mohammed beginnt und in 12 Monate nach den Tierkreiszeichen gegliedert ist. Die religiösen Feiertage richten sich nach dem Mondkalender. 

Nationalsport Afghanistans ist das traditionelle Buzkaschi, ein Reiterspiel, bei dem eine tote Ziege oder ein totes Kalb erobert werden muss. Beliebt sind auch Cricket, Fußball, Basketball, Volleyball, Teakwondo und Gewichtheben. 

Die afghanische Küche ist unter anderem von der persischen, indischen und zentralasiatischen Küche beeinflusst. Das wichtigste Grundnahrungsmittel ist Brot, auch Reis wird häufig zu den Mahlzeiten gereicht. Spezialitäten sind Khabilie Palau, ein Reisgericht mit Zwiebeln, Gemüse, Fisch oder Fleisch, Borani-Badendschan (gefüllte Auberginen) und Aschak, Nudelknödel, die mit Schnittlauch oder Lauch gefüllt sind. Mahlzeiten werden traditionell auf einem Tuch am Boden serviert; gegessen wird mit der rechten Hand. 

 

Krieg und Klimakrise zerstören die Wirtschaft

 

Der Klimawandel verstärkt die ohnehin bereits sehr trockenen Sommer und führt zu verstärkten Dürreperioden. Überweidung, Entwaldung und landwirtschaftliche Nutzung tragen im Übrigen dazu bei, dass die natürliche Vegetation immer weiter zurückgeht. Die Kriege und Unruhen verhindern eine nachhaltige Klimapolitik – erst 2009 gelang es, die Band-e-Amirseen als erstes Gebiet in Afghanistan als Nationalpark auszuweisen.

Die fehlende Klimapolitik hat auch gravierende Folgen für die afghanische Wirtschaft, denn 

nach wie vor ist Afghanistan landwirtschaftlich geprägt. Nur jede*r Fünfte der der rund 38 Millionen Einwohner*innen lebt in der Hauptstadt Kabul oder einer der anderen großen Städte. Die Infrastruktur ist durch den Krieg weitgehend zerstört; viele Menschen haben nur sehr eingeschränkt Zugang zum Stromnetz. Heute zählt Afghanistan zu den ärmsten Staaten der Welt. Fast jede*r Vierte hat keine Arbeit und leidet an Unterernährung; Korruption ist in der Wirtschaft verbreitet. Ein weiteres Problem ist die Drogenkriminalität: 46 Prozent des BIP wird durch den Handel mit Opium erwirtschaftet, auf rund 193.000 Hektar blühen die Mohnblumen, deren Anbau unter den Taliban verboten war. Afghanistan gehört auch zu den größten Haschischproduzenten der Welt. 

Seit 1980 flohen mehr als sechs Millionen Afghan*innen ins Ausland – in den Iran, nach Pakistan und auch nach Europa. In Frankfurt sind 5.352 Menschen afghanischer Herkunft zu Hause. In Fechenheim hat der Afghanisch-hinduistische Kulturverein seinen Sitz, es gibt mit ZAN auch einen afghanischen Frauenverein und ein deutsch-afghanisches Bildungszentrum, die Veranstaltungen anbieten. Die afghanische Küche könnt ihr beispielsweise im Kabul Restaurant in der Moselstraße oder im Wunderling im Nordwestzentrum probieren. Afghanische Lebensmittel erhaltet ihr im Kabul Bazar in der Münchener Straße. 

 

Zum Weiterlesen:

Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen. Fischer Taschenbuch 2014, ISBN 978-3596030934. Erzählt vom Schicksal zweier Frauen in Afghanistan.

 

Zum Weiterschauen:

Der Brotverdiener (2017). Animationsfilm über ein elfjähriges Mädchen, das sich nach der Verhaftung des Vaters als Junge verkleidet, um seine Familie zu ernähren. Abrufbar bei Netflix

Afghanistan, das verwundete Land (2020). Dokumentarfilmreihe, die die Entwicklung Afghanistans in den letzten 40 Jahren portraitiert. Erhältlich als Stream.

 

In Frankfurt:

Kabul Restaurant, Moselstr. 18, Frankfurt Bahnhofsviertel

Wunderling, Nordwestzentrum, Limeskorso 8, Frankfurt-Nordweststadt

Kabul Bazar, Münchener Str. 26, Frankfurt-Bahnhofsviertel

Deutsch-Afghanisches Bildungszentrum, Lotzstr. 45, Frankfurt-Nied

Zan e.V. Mainzer Landstr. 293, Frankfurt-Gallus

Afghanisch-hinduistischer Kulturverein, Salzschlirfer Str. 12, Frankfurt-Fechenheim



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