Diversity Diary: In Vielfalt vereint

09. August: National Day in Singapur

 

Von der britischen Kolonie zu einem der reichsten Länder der Welt

 

Zwischen Malaysia und Indonesien, an der Südspitze der malaiischen Halbinsel liegt – auf insgesamt 62 kleineren und größeren Inseln - der Stadtstaat Singapur. Mit nur 728 Quadratkilometern  ist die „Löwenstadt“ (dies bedeutet der Name Singapur auf Sanskrit) der flächenmäßig kleinste Staat Südostasiens und etwa so groß wie Hamburg. 

Während an der Elbe jedoch nur 1,8 Millionen Menschen zu Hause sind, leben in Singapur 5,7 Millionen! Und das auf hohem Niveau: Als eines der reichsten Länder der Erde kann der Stadtstaat viel in Bildung, ins Gesundheitswesen und die Infrastruktur investieren. Singapur hat mit die höchste Lebenserwartung der Welt und verfügt über das weltweit schnellste Datennetz. 91 % der Singapurer*innen leben in den eigenen vier Wänden. Und auch das Bildungssystem kann sich sehen lassen: Jedem Kind ist ein Platz im Kindergarten garantiert; im PISA-Vergleich belegen Schüler*innen aus Singapur stets vordere Plätze.  Die Schüler*innen stehen dabei allerdings unter hohem Leistungsdruck – beispielsweise setzt der Besuch einer Eliteschule das Bestehen eines strengen Aufnahmeverfahrens voraus, weshalb viele Kinder bereits ab dem ersten Lebensjahr privaten Unterricht erhalten. Singapurer*innen verfügen über den mächtigsten Reisepass der Welt – er garantiert ihnen die visafreie Einreise in 159 Länder (mit dem deutschen Reisepass besteht Visafreiheit in 158 Ländern). 

So wohlhabend war Singapur nicht immer gewesen – noch vor einem halben Jahrhundert kämpfte der Stadtstaat gegen Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsmangel und Knappheit der Rohstoffe. 

Lange Zeit hatte Singapur unter britischer Vorherrschaft gestanden: im 19. Jahrhundert als britische Kolonie, nach der Kapitulation der Japaner, die den Inselstaat im Zweiten Weltkrieg erobert hatten, als britisches Mandatsgebiet bis 1963, als eine Föderation mit Malaysia gebildet wurde. Diese wurde jedoch von chinesischen Einwohner*innen nicht akzeptiert, es kam zu heftigem Unruhen im Stadtstaat. Am 09. August 1965 wurde Singapur von Malaysia unabhängig. Der Tag wird heute als „National Day“ mit einer großen Parade, einer Ansprache des Premierministers und mit Feuerwerk begangen.      

Seit der Unabhängigkeit ist Singapur eine parlamentarische Republik. Staatsoberhaupt ist der bzw. die Präsident*in (seit 2017 Halimah Yacob), der/die mit Vetorechten in wichtigen Bereichen und dem Recht, die obersten Richter zu ernennen, eine starke Position genießt. Dem Parlament gehören 93 Abgeordnete an, die alle fünf Jahre direkt gewählt werden. Dabei besteht für alle Singapurer*innen ab 21 Jahren formell Wahlpflicht – eine Verletzung wird meist jedoch nicht geahndet. Das gilt auch für die „Expatriates“, die im Ausland lebenden Singapurer*innen. 130 von ihnen sind in Frankfurt zu Hause. Dominierend im Parlament ist seit 1965 die People´s Action Party (PAP), die 2020 über 61 Prozent der Stimmen und 83 Sitze holte. Eine GRÜNE Partei gibt es in Singapur (noch) nicht. 

 

Ein Schmelztiegel der Kulturen – Leben in Singapur

 

Dass Singapur neben Hongkong Asiens wichtigste Finanzmetropole ist, spiegelt sich in der Zusammensetzung der Bevölkerung wieder: Die Einwohner*innen von Singapur kommen aus vielen verschiedenen Ethnien und Kulturen; die größten Bevölkerungsgruppen stellen Chines*innen, Malai*innen und Inder*innen. Chinesisch, Englisch, Malaiisch und Tamil sind gleichberechtigte Amtssprachen, auch wenn im Geschäftsleben und auch im Schulunterricht vor allem Englisch (oder dessen singapurische Variante „Singlisch“) gesprochen wird. Das Zusammenleben klappt im Alltag problemlos – bereits den Kindern wird Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Respekt und Toleranz als Selbstverständlichkeit vermittelt. 

Viele Schulen und Kindergärten in Singapur sind international. Alle Schulen beachten Bräuche und Feiertage der jeweiligen Religionen. Das Schulessen ist stets halal, damit alle Schüler*innen gemeinsam essen können. Im Stadtbild finden sich buddhistische und hinduistische Tempel, christliche Kirchen und Moscheen oft in unmittelbarer Nachbarschaft. Neben den weltlichen Feiertagen Neujahr, Tag der Arbeit und dem Nationalfeiertag wird das chinesische Neujahrsfest genauso gefeiert wie das buddhistische Vesakh-Fest, das islamische Opferfest, das hinduistische Diwali-Fest, Ostern und Weihnachten. 

Sozialwohnungen werden quotiert nach Ethnien vergeben, um die soziale Durchmischung zu gewährleisten. 

Auch die Küche Singapurs ist ein Schmelztiegel der Kulturen und vereint chinesische, indische und malaiische Einflüsse. Eines der Nationalgerichte ist Laksa, eine Suppe mit Kokosmilch und Chili, Nudeln, Gemüse und Fisch und Krabben. Die im Ausland verbreiteten „Singapur-Nudeln“ sind in Singapur selbst unbekannt. 

Höflichkeit spielt im Alltag eine große Rolle – wichtig ist, den Gegenüber niemals das Gesicht verlieren zu lassen. Visitenkarten werden mit beiden Händen überreicht, keinesfalls darf man eine erhaltene Karte einfach einstecken. Das konfuzianistische Gedankengut prägt das gesellschaftliche Leben. 

 

Die Sicherheit hat ihren Preis

 

Zum reibungslosen Zusammenleben trägt jedoch auch die staatliche Überwachung bei, die irgendwo zwischen konfuzianisch orientierter öffentlich vermittelter Ethik und strengen Gesetzen rangiert. Zum Beispiel braucht es eine staatliche Lizenz, wenn mehr als drei Menschen zusammenkommen, um öffentlich über Politik, Religion oder innere Angelegenheiten zu reden. Auch die Medien unterliegen einer strengen Zensur. Zwar sind Kriminalität und Korruption in Singapur niedrig, allerdings zahlen die Singapurer*innen für diese Sicherheit einen hohen Preis: Schon kleine Vergehen können drakonische Strafen nach sich ziehen – beispielsweise droht bei Vandalismus und Graffiti die Prügelstrafe. Wer Müll auf die Straße wirft, muss mit einer hohen Geldstrafe rechnen, ebenso wer in öffentlichen Verkehrsmitteln, isst, trinkt oder raucht. Drogenbesitz (ab einer bestimmten Menge) wird gar mit der Todesstrafe geahndet (seit 2012 nicht mehr zwingend). Homosexualität ist offiziell strafbar, allerdings werden die Strafen in der Praxis nicht (mehr) verhängt. Bis 2004 war der Verkauf von Kaugummi im Stadtstaat verboten; auch heute noch gibt es die Süßigkeit nur auf ärztliches Rezept. 

 

Singapur – eine der meist besuchten Städte der Welt

 

Neben der Finanzindustrie spielt der Tourismus eine wichtige Rolle in der singhalesischen Wirtschaft: Mit mehr als 17 Millionen Besucher*innen jährlich zählt der Stadtstaat zu den zehn meist besuchten Städten der Welt. Sehenswert sind die Architektur der Marina Bay (das Hotel Marina Bay Sands verfügt über eine Aussichtsplattform und ein Schwimmbecken in 200 Metern Höhe), das arabische, das indische und das chinesische Viertel und die gut erhaltenen Kolonialbauten, beispielsweise das Victoria Theatre and Concert Hall, das sich im ehemaligen Rathaus befindet. 

 

Auf dem Weg zur GRÜNEN Stadt

 

Das Klima in Singapur ist tropisch-feucht. Selten rutscht das Thermometer unter 28 Grad Celsius; von Oktober bis Februar dauert der Monsun. Der Klimawandel wirkt sich auch in Singapur aus: Hitzewellen und Starkregen nehmen zu; der Anstieg des Meeresspiegels bedroht den Inselstaat massiv: Ohne Gegenmaßnahmen, so nehmen Expert*innen an, werden bis zum Ende des Jahrhunderts weite Teile der Stadt unter Wasser liegen. 

Bis 2030 will der Stadtstaat daher den CO2-Ausstoß um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern; als erstes südostasiatisches Land hat Singapur für Teile der Industrie eine CO2-Steuer eingeführt. Bisher allerdings steigt der Energieverbrauch dennoch weiter an, spielen Erneuerbare Energien so gut wie keine Rolle. 

Immerhin hat sich die Stadtpolitik in den letzten Jahren zum Ziel gesetzt, das Stadtbild deutlich GRÜNER zu gestalten: Mehr als 3.320 Hektar des Stadtgebiets sind Grünflächen und Parks, außerdem wird Fassadenbegrünung aktiv gefördert. 

Zeichen setzt Singapur auch in der Verkehrspolitik: Das ÖPNV-Netz ist engmaschig, gut getaktet und relativ preisgünstig. Um die Anzahl der PKW im Stadtgebiet zu limitieren, unterliegt der Erwerb von Autos staatlichen Einschränkungen. Wer ein Fahrzeug kaufen möchte, muss zuvor eine Lizenz ersteigern. Der Import von Kraftfahrzeugen wird mit teilweise über 200 Prozent besteuert, auch ein Mautsystem soll den Autoverkehr regulieren. 

 

Zum Weiterlesen:

Jeremy Tiang, Das Gewicht der Zeit, Residenz Verlag Salzburg 2020, ISBN 978-3701717286, erzählt eine Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Entwicklung Singapurs. 

 

Zum Weiterschauen:

Singapore: Biophilic City (2012), dokumentiert die Entwicklung Singapurs zu einer der grünsten Städte der Welt. Abrufbar auf Youtube.

Crazy Rich Asians (2018), Gesellschaftssatire, die vom Leben der oberen Zehntausend in Singapur erzählt. Ausleihbar bei Amazon Prime Video. 

 

 

09. /10. August: Islamisches Neujahr – Beginn des Muharrem-Fasten der Aleviten

 

Die islamische Zeitrechnung beginnt am 16. Juli 622. An diesem Tag wanderte Prophet Mohammed von Mekka nach Medina aus. Muslime in aller Welt feiern das islamische Neujahrsfest in Gedenken an dieses Ereignis – in diesem Jahr allerdings am 10. August, denn wie alle islamischen Feiertage richtet sich auch der Beginn der neuen Jahres nach dem Mondkalender und fällt somit nicht auf ein festes Datum. 

Gefeiert wird nicht mit Böllern und Raketen, sondern mit traditionellen Blasinstrumenten, die pünktlich zu Sonnenuntergang – wenn nach islamischer Tradition der neue Tag beginnt – die Ankunft des neuen Jahres verkünden.

Ähnlich wie beim persischen Nouruz-Fest wird die Festtafel mit sieben symbolischen Speisen und Gegenständen dekoriert: mit Mehlbeeren, süßem Gebäck, einer Münze, grünen Weizentrieben, einem Apfel, Essig und Knoblauch, die im neuen Jahr Glück, Gesundheit, Wohlergehen und Fruchtbarkeit bringen sollen. 

Insgesamt ist das Neujahrsfest kein ausgelassenes fröhliches Fest, sondern eher eine Zeit der Besinnung und Einkehr. Die Gläubigen verschenken Süßigkeiten, spenden an Bedürftige und erzählen Geschichten vom Prophet Mohammed.

Für Alevit*innen und Schiit*innen beginnt mit dem Neujahrsfest die Fasten- und Trauerzeit des Muharrem, des ersten Monates im neuen Jahr, die bis zum 21. August dauert. Die Alevit*innen gedenken dabei der Massaker in der Stadt Kerbala im Jahr 680 n. Chr, bei der der Enkel Mohammeds, Hussein, ums Leben kam. Die Schiiten unterlagen in der Schlacht von Kerbala und scheiterten mit dem Vorhaben, ihren dritten Imam zum Oberhaupt der islamischen Gemeinde zu machen.  Der aussichtslose Kampf Husseins gegen die umayyadische Vorherrschaft begründete das Paradigma des schiitischen Märtyertums, das heute vielen Dschihadist*innen als Grundlage ihres religiösen Verständnisses dient. Während der 12-tägigen Fasten- und Trauerzeit ist nicht nur der Verzehr von Fleisch, sondern jegliche Begehrlichkeit untersagt. Unterbleiben sollen auch Feierlichkeiten wie Hochzeiten und das Verbreiten von Gerüchten, Beleidigungen, Streitigkeiten und Blutvergießen. Das Muharrem-Fasten endet mit dem Kochen, Verteilen und gemeinsamen Verzehr von Aschura, einer aus 12 Zutaten bestehenden Süßspeise. Die 12 Bestandteile symbolisieren die 12 Imane und können variieren. Oft verwendet werden Weizen, Bohnen, Saubohnen, Kichererbsen, Kastanien, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln, Sultaninen, Feigen, Aprikosen und Walnüsse. 

            

10. August: Dia de la Indepedencia Quito in Ecuador

 

Von der spanischen Kolonie zur demokratischen Republik

 

Zwischen Kolumbien und Peru, im Nordwesten Südamerikas, liegt Ecuador. Benannt ist das Land nach der Äquatorlinie, die durch den nördlichen Teil Ecuadors verläuft. 

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatten die Spanier das heutige Gebiet Ecuadors erobert und die bis dahin herrschenden Inka unterworfen. Im 19. Jahrhundert begannen die Ureinwohner*innen gegen die spanische Besetzung zu rebellieren. In der Nacht zum 10. August 1809 stürmten Aufständische den Palast des Gerichtspräsidenten in Quito und erklärten die Unabhängigkeit. Bis heute wird dieser Tag als Nationalfeiertag begangen, obwohl die endgültige Unabhängigkeit Ecuadors (und Kolumbiens) erst 1821 erkämpft werden konnte. Die Folgejahre waren auch in Ecuador von Unruhen und Putschen geprägt. Nach dem Zerfall der Union mit Kolumbien entstand 1830 die Republik Ecuador.

Heute ist Ecuador eine demokratische Republik mit einem Präsidenten/einer Präsidentin, der bzw. die zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef*in ist, damit also über eine starke Machtposition verfügt. Der Asamblea Nacional, das Parlament, gehören 137 Abgeordnete an, die ebenso wie der/die Präsident*in direkt gewählt werden. In Ecuador herrscht seit 1967 für alle Wahlberechtigten eine Wahlpflicht; vorher war den Frauen die Wahlbeteiligung freigestellt. Ecuador war 1929 das erste lateinamerikanische Land gewesen, das Frauen zur Wahl zugelassen hatte - wie die wahlberechtigten Männer mussten sie zur Ausübung des Wahlrechts lesen und schreiben können. 

Offiziell ist die Hauptstadt Quito als Sitz des Präsidenten Zentrum der politischen Macht, in der Praxis teilt sich die Stadt diesen Status mit dem Wirtschaftszentrum Guyayquil. Parteien nominieren stets Kandidat*innen aus beiden Regionen. Das Kräfteringen trägt dazu bei, dass der Einfluss der Parteien begrenzt und Koalitionen oft nicht sehr stabil sind. 

 

Ecuador – eines der vielfältigsten Länder der Erde

 

Das Land ist dünn besiedelt; auf einer Fläche, die in etwa so groß ist wie die alte Bundesrepublik leben gerade einmal 17, 4 Millionen Einwohner*innen. Und dennoch gilt Ecuador als eines der vielfältigsten Länder der Erde. 

Etwa die Hälfte der Ecuadorianer*innen lebt im Westen, an der Costa, der fruchtbaren Gegend im Delta der großen Flüsse Rio Guayas, Rio Babahoyo und Rio Daule. Hier liegt Guayaquil, die größte Stadt und Wirtschaftszentrum Ecuadors. Die Hauptstadt des Landes, Quito, befindet sich in der Sierra, dem Andengebirge, auf 2850 Metern Höhe. Rund ein Drittel der Ecuadorianer*innen sind in einer der beiden Städte zu Hause.  Im Osten Ecuadors, wo sich auf 100.000 Quadratkilometern der Regenwald erstreckt, leben dagegen nur wenige Menschen. Zu Ecuador gehören außerdem die rund 1000 Kilometer entfernten Galapagos-Inseln.

Die klimatischen Unterschiede sind in Ecuador so deutlich ausgeprägt, dass sich sogar das Klima im Norden der Hauptstadt von dem in den südlichen Stadtteilen unterscheidet. Generell herrscht im Norden eher tropisches feuchtheißes Klima mit Regenzeit von Januar bis Mai, im Süden ist es gemäßigter und trockener. Da im Andengebirge zwei tektonische Platten aufeinandertreffen, gibt es viele noch aktive Vulkane, auch zählt Ecuador zu den Ländern mit dem größten Erdbebenrisiko. 

 

Zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und Klimaschutz 

 

Aufgrund der landschaftlichen und klimatischen Vielfalt verfügt Ecuador über den größten Artenreichtum an Pflanzen und Tieren weltweit. Leider fehlen die finanziellen Mittel und das Know-How, um den politischen Willen zum Schutz der Biodiversität auch in die Tat umzusetzen: Ecuador gehört zu den Ländern mit der größten Abholzungsrate weltweit, außerdem besteht eine starke Abhängigkeit von der Erdölförderung, die 60 Prozent des Exportes ausmacht. So konnte der Erdölkonzern Texaco im nördlichen Amazonasgebiet jahrelang unbehelligt von staatlichen Organen wirtschaften und dabei erhebliche Teile der Böden und Gewässer verunreinigen. 2007 wandte sich Ecuador an die Vereinten Nationen mit dem Vorschlag, künftig auf die Erdölförderung im Nationalpark Yasuni zu verzichten, sofern die Staatengemeinschaft die Hälfte der hierdurch entgangenen Gewinne kompensiert. Letztlich scheiterte die Initiative und Ecuador gab die Erdölförderung im Nationalpark unter Auflagen frei – auch wenn die Verfassung den Abbau nicht erneuerbarer Rohstoffe in den 14 Nationalparks und den anderen Schutzgebieten eigentlich verbietet. 

Die indigene Bevölkerung kämpft gegen diesen Raubbau, 2016 kam es zum Aufstand der Shuar in der Provinz Morona-Santiago. 

 

23 Sprachen und Ballons zu Karneval – das Leben in Ecuador

 

Ecuador ist ein junges Land – der Altersdurchschnitt liegt gerade einmal bei knapp über 26 Jahren (zum Vergleich: in Deutschland bei 45,7 Jahren). Nur sieben Prozent der Bevölkerung ist älter als 65 Jahre. Mindestens die Hälfte der Ecuadorianer*innen hat indigene Wurzeln. Wie in Peru gibt es auch in Ecuador indigene Stämme, die in völliger Isolation von der Außenwelt leben. Insgesamt werden in Ecuador 23 verschiedene Sprachen gesprochen. 

Neben Spanisch ist Kichwa, eine Mundart der Inka-Sprache, zweite Amtssprache. 

Die überwiegende Zahl der Ecuadorianer*innen bekennt sich zum katholischen Glauben, allerdings sind auch traditionelle indigene Religionen verbreitet. Die Mischung der Kulturen zeigt sich insbesondere in den Festen und Bräuchen: Karneval bedeutet in Ecuador nicht nur den Beginn der christlichen Fastenzeit, sondern ist auch das Fest der Indigenen, um böse Geister aus den Maisfeldern zu vertreiben. Bis heute bewerfen sich die Ecuadorianer*innen daher zu Karneval mit Ballons, die mit Wasser oder Mehl gefüllt sind. Gefeiert wird mit Straßenumzügen, Musik und farbenfrohen Kostümen und Masken. Egal, ob Karneval  oder ein anderer Feiertag im Kalender steht – einen Vorteil genießen die Menschen in Ecuador gegenüber uns in Deutschland: Generell werden die Feiertage jedes Jahr so angepasst, dass möglichst viele verlängerte Wochenenden entstehen. Diese werden gerne für Kurzurlaube oder Verwandtenbesuche genutzt. 

Fast alle Kinder besuchen die Grundschule und lernen lesen und schreiben, allerdings nehmen die wenigsten das Angebot einer weiterführenden Bildung wahr. Viele Kinder müssen früh zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen. Ecuador ist das viertärmste Land Südamerikas. Jede*r sechste Ecuadorinaer*in hat am Tag weniger als einem Dollar zur Verfügung. Der Dollar fungiert dabei nicht nur als Rechengröße, sondern ist seit 2000 in Ecuador gesetzliches Zahlungsmittel. Viele arbeiten im informellen Sektor und führen sogenannte Mikrounternehmen, die selten sozialversichert sind. Arbeiter*innen in der Blumenindustrie, einem der wachsenden Sektoren Ecuadors, riskieren während der langen Arbeitstage ihre Gesundheit durch die eingesetzten Pestizide und Kunstdünger. Die wirtschaftliche Lage zwang viele Menschen zum Auswandern, vor allem nach Europa, Kanada und in die USA. 121 Ecuadorianer*innen sind in Frankfurt zu Hause. 

 

Ecuador – auch bei Reisenden beliebt

 

Ecuador erfreut sich zunehmender Beliebtheit als Reiseland – Tourist*innen schätzen nicht nur die atemberaubenden Naturlandschaften, sondern auch die Überreste der kolonialen Stadtkultur – die historische Altstadt von Quito, die seit 1978 zum Weltkulturerbe der UNSECO gehört, ist die größte zusammenhängende koloniale Altstadt Südamerikas. 

Die Vielfalt der Regionen Ecuadors spiegelt sich auch in der Küche wieder: Gewöhnungsbedürftig für Menschen aus Mitteleuropa dürfte „Cuy“, die Spezialität der Sierra sein, denn dahinter verbergen sich die bei uns als Haustiere so beliebten Meerschweinchen. Sicherer fährt man in den Anden, wenn man „Hornado“ bestellt – dann erhält man im Ofen gebratenes und mit Käse überbackenes Schweinefleisch mit Avocado, Mais, Kartoffeln, und Salat. In der Küstenregion kommen vornehmlich Meeresfrüchte (Ceviche) auf den Tisch – mit Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln verfeinert. Die Fischsuppe Encebollado ist das ecuadorianische Nationalgericht. 

 

Zum Weiterlesen:

Alberto Acosta, Buen vivir – Vom Recht auf ein gutes Leben. Oekom Verlag München 2015, ISBN 978—3865817051. Der ehemalige ecuadorianische Energieminister setzt sich mit dem Widerspruch zwischen Wirtschaft und Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Situation des Landes auseinander.

 

Zum Weiterschauen:

Ecuador. Der Dokumentarfilm von Jacques Sarasin beleuchtet die Hintergründe der Yasuni-Initiative und begleitet die Suche nach neuen Formen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. Erhältlich auf DVD.

 

 

14. August: Nationalfeiertag in Pakistan

 

Von Britisch-Indien zum muslimischen Staat

 

Bis 1947 bildete die Islamische Republik Pakistan gemeinsam mit dem heutigen Indien die Kolonie Britisch-Indien. 1947 schlossen sich die überwiegend muslimischen Teile Britisch-Indiens zusammen; am 14. August – dem heutigen Nationalfeiertag -  wurde Pakistan souverän.  1956 rief sich der junge Staat  zur ersten Islamischen Republik der Welt aus. 1971 spaltete sich der östliche Teil Pakistans ab und gründete den unabhängigen Staat Bangladesch. Das heutige Pakistan umfasst eine Fläche von rund 800.000 Quadratkilometern zwischen Iran, Afghanistan, China und Indien. Mit Indien kam es in der Folgezeit immer wieder zu Konflikten um die Provinzen Jammu und Kaschmir, auf deren Territorien beide Staaten Anspruch erhoben. 

Dementsprechend instabil sind die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Pakistan. Phasen der Demokratie wechselten sich mit solchen der Militärdiktatur ab. Seit 2008 gibt es in Pakistan wieder ein demokratisch gewähltes Parlament, auch wenn Teile Pakistans in der Praxis von Clans, Talibanverbänden, Großgrundbesitzern und Stammesfürsten regiert werden. Das Parlament besteht aus zwei Kammern: der Nationalversammlung, der 342 Abgeordnete angehören und dem Senat mit 100 Mitgliedern. 60 Sitze der Nationalversammlung sind Frauen, 10 Angehörigen religiöser Minderheiten vorbehalten. Wahlberechtigt sind alle Staatsangehörigen ab 18 Jahren.  Die Nationalversammlung wählt den Premierminister und entscheidet allein über den Staatshaushalt und die Finanzgesetze. Staatsoberhaupt ist der Präsident, der für fünf Jahre durch ein Wahlgremium aus den beiden Bundes- und den vier Regionalparlamenten (Belutschistan, Khyber, Pakhtunkthawa, Punjab und Sindh) gewählt wird. Verfassungsgemäß muss er Muslim sein. Das Präsidentenamt ist überwiegend repräsentativ, allerdings kann er die Nationalversammlung auflösen. 

 

Hitze und zerstörte Wälder prägen das Klima in Pakistan

 

Mehr als ein Drittel der Landesfläche ist von der Ebene des Indus geprägt. Hier ist das Klima im Winter mild, im Sommer können die Temperaturen auf bis zu 50 Grad klettern und es fallen kaum Niederschläge. Dies trifft auch auf die Belutschistan-Hochebene im Westen des Landes zu. Nur im äußersten Norden, wo der Hindukusch, das Karakorum und der Himalaya aufeinandertreffen fällt das Thermometer im Winter unter den Gefrierpunkt und sind die Sommer kühler und regnerischer. Das wüstenhafte Klima und der menschliche Raubbau führte zur fast völligen Zerstörung der Wälder im Industal. Nur knapp vier Prozent der Landesfläche sind noch mit Wald bedeckt. Vor allem in den ländlichen Gebieten ist Brennholz nach wie vor die Hauptenergiequelle. Erneuerbare Energien spielen in Pakistan bislang kaum eine Rolle. 

 

Eines der ärmsten Länder auf dem Kontinent

 

Mit über 200 Millionen Einwohner*innen ist Pakistan der fünftbevölkerungsreichste Staat der Erde - Tendenz steigend.  Die Bevölkerung verteilt sich ungleichmäßig: Drei Viertel leben in den Flusstälern, die Hochgebirge und Belutschistan sind größtenteils unbewohnt. Nur etwa jede*r Dritte lebt in der Hauptstadt Islamabad oder einer der anderen Städte – allerdings auch hier mit steigender Tendenz, da die Landwirtschaft kaum noch Auskommen verspricht. Die Folge sind wachsende Elendsviertel und Massenarbeitslosigkeit in den Städten. Pakistan gehört zu den ärmsten Staaten auf dem asiatischen Kontinent. 20 Prozent der Bevölkerung leidet an Unterernährung; jede*r Sechste hat zum Leben weniger als einen US-Dollar am Tag zur Verfügung. Auch Kinder müssen aus diesem Grund häufig zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. 

Dies wirkt sich auf die Bildung aus: Nahezu jede*r Zweite kann nicht lesen und schreiben. Eine allgemeine Schul- oder Bildungspflicht gibt es in Pakistan nicht, nur in der Provinz Punjab ist der Besuch der Grundschule gesetzlich vorgeschrieben, allerdings erst seit 2014 unentgeltlich. Neben dem staatlichen Bildungssystem, das eine fünfjährige Grundschule, eine dreijährige  Mittelschule, die zweijährige High School und anschließend nochmals zwei Jahre auf der Higher Secondary School umfasst, gibt es eine Unzahl von Koranschulen, die – im Gegensatz zur staatlichen Schule – kostenlos zugänglich sind, allerdings auch den religiösen Extremismus schüren.

Vor allem Frauen wird Bildung oft verwehrt; das öffentliche und familiäre Leben wird von Männern dominiert. Zwangsehen sind üblich; ein Mann darf bis zu vier Ehefrauen haben, die vor allem nach sozialen und wirtschaftlichen Aspekten ausgewählt werden. Üblich ist auch, dass Cousins und Cousinen einander heiraten. Die Familie der Braut ist zur Zahlung einer Mitgift verpflichtet. Bereits bei Verdacht auf Untreue muss eine Frau mit dem Schlimmsten rechnen. 

Die Gesundheitsversorgung ist vor allem in den ländlichen Gebieten desolat. Oft fehlt es am Zugang zu sauberem Trinkwasser; hierdurch steigt die Verbreitung von Krankheiten. Nur in Afghanistan und Pakistan gilt die Kinderlähmung noch nicht als ausgerottet – notwendige Impfungen werden von religiösen Fanatikern bekämpft und können oft nur unter Polizeischutz stattfinden.

 

Nur der islamische Glaube eint die Ethnien

 

Mit über sechs Millionen hat Pakistan eine der weltweit größten Auslandsbevölkerungen – viele Pakistani sind in die USA, Australien, die arabischen Golfstaaten oder nach Europa ausgewandet. In Frankfurt sind 2.302 Menschen mit pakistanischem Pass zu Hause. 

In Pakistan selbst leben Angehörige vieler Volksgruppen. Sie alle eint der muslimische Glaube, nicht die Bindung an eine Nationalität. Dies führt immer wieder zu Konflikten zwischen den Ethnien. Mehrere Bevölkerungsgruppen wünschen sich autonome Gebiete. Vor allem in den Städten kommt es daher zu Unruhen und bewaffneten Aufständen. Über 50 verschiedene Sprachen werden in Pakistan gesprochen; Urdu ist – neben Englisch -  die offizielle Amtssprache und unterscheidet sich von dem Indien gebräuchlichen Hindi vor allem durch die Verwendung des persischen Alphabets. Der Streit um die Vorherrschaft der Urdu-Sprache führte 1971 zur Abspaltung Bangladeschs. Im Gegensatz zu Indien fördert die Regierung Pakistans die Regionalsprachen und die kulturellen Besonderheiten der einzelnen Volksgruppen nicht. Einige kleine Bergvölker sind vom Aussterben bedroht. 

Der Islam ist Staatsreligion in Pakistan, religiöse Minderheiten werden oft marginalisiert.  Erst seit 2016 sind Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Religionen erlaubt. Vor allem seit den 80er Jahren nimmt der religiöse Extremismus zu; immer wieder kommt es zu Terroranschlägen. Vor allem das Familien- und Erbrecht richtet sich nach dem islamischen Recht der Scharia. 

Der Islam durchdringt die gesamte Kultur des Landes; er prägt vor allem die Architektur und Kunst des Landes. Viele moderne pakistanische Künstler stehen in der Tradition islamischer Kalligraphen. Das Medium Film spielt in Pakistan eine große Rolle; prägend sind ausgedehnte Musik- und Tanzszenen à la Bollywood. 

Der ehemals britische Einfluss wird im Sport deutlich: Nationalsport Pakistans ist Hockey, Cricket gilt als beliebteste Sportart. 

In der Musik und auch in der Landesküche zeigt sich die enge Verbindung Pakistans mit der indischen, persischen und arabischen Kultur. Vor allem in Belutschistan und bei den Paschtunen sind ekstatische Gesänge (Qawwali), die – begleitet von Harmonium, Kesseltrommel und Händeklatschen - die Liebe zu Gott ausdrücken sollen, verbreitet. 

Auf den Tisch kommen Reis und – zu jeder Mahlzeit – Brot. Aus Pakistan stammt das auch hier bekannte Reisgericht Biryani (Gewürzreis mit Gemüse oder Fleisch). Currygerichte mit Fleisch und Gemüse sind beliebte Hauptmahlzeiten, auch in Pakistan existieren unzählige Kebab-Varianten. Selbstredend ist der Verzehr von Schweinefleisch in dem muslimischen Land allerdings untersagt. Großer Beliebtheit erfreuen sich Süßigkeiten wie das aus Grieß hergestellte und mit Zucker, Honig, Butter und Öl verfeinerte Halva. Nationalgetränk ist Tee, der oft mit Milch und Gewürzen angereichert wird, verbreitet ist auch der aus Joghurt gewonnene Lassi. Der Koran verbietet den Konsum von Alkohol. 

In Frankfurt könnt ihr die pakistanische Küche im Punjab Garden in Fechenheim probieren, alle angebotenen Speisen dort sind halal. Auch das Lahore Kebab Haus und das Akmal Sweet Center im Bahnhofsviertel und das Adeel Malak Manga Shareef Restaurant im Ostend bieten pakistanische Spezialitäten. In Oberad gibt es eine pakistanisch-islamische Gemeinde; der Verein PakBann e.V., der 2009 mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet wurde, pflegt die pakistanische Kultur mit zahlreichen Veranstaltungen, darunter das interkulturelle Theaterstück „Bus Stop“, das im Höchster Kulturkeller aufgeführt wurde und 2022 fortgesetzt werden soll. 

 

Zum Weiterlesen:

Bilal Tanweer, Die Welt hört nicht auf. Carl Hanser Verlag München, 2016. ISBN 978-3446250604. Erzählt von den Schicksalen verschiedener Menschen in Karatschi nach einem Terroranschlag. 

 

Zum Weiterschauen:

Good Morning, Karachi (2011), erzählt von einer jungen Frau, die in einem Schönheitssalon in Karatschi arbeitet und sich mit der Rolle der pakistanischen Frau auseinandersetzt. Erhältlich auf DVD.

 

In Frankfurt:

Punjab Garden Tandoori Restaurant, Alt-Fechenheim 118, Frankfurt-Fechenheim

Lahore Kebab Haus, Münchener Str. 39, Frankfurt-Bahnhofsviertel

Adeel Malak Manga Shareef Restaurant, Brüder-Grimm-Str. 14, Frankfurt-Ostend

Akmaal Sweet Center, Elbestr. 22, Frankfurt-Bahnhofsviertel

Pakistanisch-Islamische Gemeinde, Offenbacher Landstr. 212, Frankfurt-Obberad (Moschee Mainzer Landstr. 125)

PakBann e.V.: www.pakbann.de



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