150 Jahre § 218: Ein Plädoyer für echte reproduktive Selbstbestimmung!

§ 218 kriminalisiert Frauen – auch heute noch!

 

Allein durch die Gesetzessystematik – der § 218 befindet sich in einem Kapitel mit Mord- und Tötungsdelikten- werden Frauen als „Mörderinnen“ stigmatisiert und kriminalisiert. Bis 1974 war der Abbruch einer Schwangerschaft uneingeschränkt strafbar. Das vom Bundestag mit denkbar knapper Mehrheit verabschiedete Fristenmodell wurde ein halbes Jahr später vom Bundesverfassungsgericht mit der Ansicht, es sei nicht mit dem Schutz des ungeborenen Lebens vereinbar, wieder gekippt. 

Im Juni 1976 wurde „nachgebessert“: Der Abbruch sollte fortan bei medizinischer, kriminologischer, eugenischer (also bei zu erwartenden Schädigungen des Kindes) und – innerhalb der ersten 12 Wochen – auch bei sozialer Indikation straffrei sein. Auch wenn diese Regelung in Härtefällen sicherlich zu Erleichterungen führte – das Recht, selbst über ihren Körper zu entscheiden, hatten Frauen damit immer noch nicht. 

Im Osten war man zu diesem Zeitpunkt schon weiter: Nach dem „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ durften Frauen in der DDR bereits seit 1972 innerhalb der ersten 12 Wochen frei über einen Abbruch entscheiden. Eine entsprechende gesamtdeutsche Regelung wurde 1992 abermals vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. 

Erst 1995 wurde der Paragraph 218a in seiner heutigen Form formuliert. Der Tatbestand des § 218 gilt dabei als „nicht verwirklicht“, wenn sich die Schwangere mindestens drei Tage vor dem Eingriff einer Beratung unterzieht und der Abbruch spätestens in der 12. Schwangerschaftswoche erfolgt. Die gesetzliche Formulierung bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber den unter diesen Voraussetzungen vorgenommenen Abbruch zwar nicht als strafbar, aber dennoch als verwerflich und rechtswidrig einstuft (weitere Indikationen medizinischer oder kriminologischer Art führen hingegen zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit). 

 

Entscheidung unter Druck 

 

Erstmals haben Frauen damit zwar formal, das Recht, eine eigene Entscheidung zu treffen – stigmatisiert werden sie aber weiterhin. Die verpflichtende Inanspruchnahme einer Beratung setzt Frauen psychisch unter Rechtfertigungsdruck. Dies gilt umso mehr in Bayern, wo die Schwangere verpflichtet ist, im Beratungsgespräch die Gründe für den geplanten Abbruch offenzulegen. Immer wieder versuchen auch selbsternannte „Lebensschützer*innen“ Frauen vor Beratungsstellen unter Druck zu setzen. 

Die gesetzliche Einordnung hat auch zur Folge, dass die Krankenkassen die Kosten für einen Abbruch ohne medizinische oder kriminologische Indikation nur dann übernehmen, wenn die Frau ihre soziale Bedürftigkeit nachweist. Ähnlich wie beim Antrag auf Hartz IV muss sie sich dabei einer Prüfung ihrer Einkommens-  und Vermögensverhältnisse unterziehen. Übersteigen diese eine gewisse Grenze (für bisher kinderlose Frauen ist ein Nettoeinkommen von 1258 Euro maßgeblich) muss die Frau die Kosten, die je nach medizinischem Verfahren bis zu 600 Euro und mehr betragen können, selbst tragen – den Abbruch muss frau sich somit erst einmal leisten können!

 

Medizinische Aufklärung ist Mangelware

 

Je nach Fortschritt der Schwangerschaft und medizinischer Situation gibt es unterschiedliche Verfahren, eine Schwangerschaft zu beenden. Bis zur 09. Woche ist ein Abbruch durch Medikamente möglich, danach ist ein operativer Eingriff mittels Absaugung oder Ausschabung erforderlich. Sich zu informieren, welche Methode im Einzelfall die richtige ist und wohin frau sich wenden kann, ist jedoch alles andere als einfach: Vor zwei Jahren wurde die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Webseite die Ankündigung veröffentlicht hatte, zum üblichen ärztlichen Honorar Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. §219a verbietet Ärzt*innen und medizinischen Einrichtungen weitgehend, über die Konditionen des Abbruchs zu informieren. Auch dem Urteil gegen Kristina Hänel ist es zu verdanken, dass immer weniger Ärzt*innen überhaupt dazu bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Weder gesetzlich noch durch den medizinischen Eid sind sie hierzu verpflichtet. 

Schwangere haben es somit immer schwerer, medizinische Unterstützung für einen Abbruch zu erhalten. 

 

Das Fazit: Wir brauchen echte reproduktive Selbstbestimmung!

 

Auch wenn in vielen anderen Ländern noch striktere Abtreibungsgesetze gelten – die strengste Regelung innerhalb der EU haben Andorra und Malta, wo der Abbruch einer Schwangerschaft unter keinen Umständen erlaubt ist! – ist es höchste Zeit für eine Liberalisierung: Im Programmentwurf zur Bundestagswahl fordern wir GRÜNE nicht nur, selbstbestimmte Abbrüche zu entkriminalisieren, sondern auch, dass der Staat – wie in den Niederlanden – die Kosten für den Abbruch generell übernimmt. § 219a wollen wir ersatzlos streichen und so gewährleisten, dass sich jede Frau uneingeschränkt über ihre Möglichkeiten informieren kann.

Denn solange es keine vollständige reproduktive Selbstbestimmung gibt, so lange sind Frauen und Männer de facto nicht gleichberechtigt! 

 

In einer Petition fordert die „German Alliance for Choice“ die ersatzlose Streichung des „218 StGB und die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches. Die Petition könnt ihr hier unterschreiben: https://www.change.org/wegmit218

 



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