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Wäre der 29. Mai 1993 anders verlaufen – Hülya Genc wäre heute eine junge Frau Mitte 30. Vielleicht wäre sie beruflich erfolgreich, vielleicht hätte sie eine Familie gegründet, vielleicht würde sie nach wie vor in ihrem Heimatort Solingen leben. Sehr wahrscheinlich wäre kein Platz im fernen Frankfurt nach ihr benannt worden.
Aber: Am frühen Morgen des 29. Mai loderten die Flammen aus dem Elternhaus der damals neunjährigen Hülya. Vier junge Männer aus der Solinger Neonazi-Szene hatten das Haus angezündet – aus Hass auf Menschen ausländischer Abstammung. Hülya, ihre Schwestern Hatice (18) und Saime (4) und ihre Cousine Gülüstan Öztürk (12) starben in den Flammen, ihre Tante Gürsün Ince verletzte sich beim Sprung aus dem Fenster tödlich. 17 weitere Familienmitglieder erlitten teils lebensgefährliche Verletzungen. Der Mord von Solingen war der traurige Höhepunkt einer ganzen Reihe weiterer Ausschreitungen in den Jahren nach der Wiedervereinigung. In Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen entgingen die Opfer nur durch Zufall dem Tod, in Mölln hingegen starben zwei Mädchen und ihre Großmutter.
Ähnlich schockierend wie die schrecklichen Taten selbst war der Umgang mit ihnen durch die Bundesregierung: Diese reagierte auf die ersten Ausschreitungen nicht etwa mit einer Verschärfung des Strafrechts, sondern des Asylrechts. Der Beerdigung der Genc-Frauen blieb der damalige Kanzler Helmut Kohl mit der Begründung fern, „Betroffenheitstourismus“ helfe niemandem und er habe auch noch andere wichtige Termine.
Auch wenn eine solche Reaktion heute selbst in der CDU unvorstellbar wäre – viel hat sich in den vergangenen 27 Jahren nicht verändert. Noch immer sind in Deutschland Menschen rassistischer Gewalt und Hass ausgesetzt, nur weil sie vermeintlich anders aussehen, anders heißen, anders sprechen, andere Gewohnheiten haben. 22.000 rassistisch motivierte Straftaten vermeldet die Kriminalstatistik allein für das vergangene Jahr – darunter der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der sich am 02. Juni jährt und die Anschläge von Halle im November. Genau vor 100 Tagen starben in Hanau neun junge Leute – erschossen von einem Rechtsextremen. Und unzählige weitere Menschen sind tagtäglich rassistischen Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt.
In den meisten Fällen werden die Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt und die Täter nie ermittelt, weiß die GRÜNE Stadträtin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg aus eigener Erfahrung. „Dafür müssen wir uns einsetzen, dass hier endlich Gerechtigkeit geschieht!“, appelliert sie in ihrer Rede. Auch in Frankfurt, wo die AfD im Römer und die BFF in vielen Ortsbeiräten vertreten ist, sei es wichtig, zu zeigen, dass Rassismus keinen Platz in der Stadt habe. „Das bedeutet auch, gegen strukturellen Rassismus vorzugehen, der sich beispielsweise darin zeigt, dass Informationen nicht barrierefrei zur Verfügung gestellt werden“. Gerade jetzt in der Corona-Zeit, in der rechte Gruppierungen gezielt die Ängste vieler Menschen nutzen und die hieraus entstehenden Verschwörungstheorien, schüren, dürfen wir uns als Gesellschaft nicht spalten lassen, hebt Eskandari-Grünberg hervor. Dass das nicht nur in Deutschland erforderlich sei, zeige der Mord an dem Afroamerikaner George Floyd, der am Montag in Minnesota/USA von einem Polizisten erstickt wurde. „Egal, wo auf der Welt wir sind, ob wir in Deutschland oder den USA oder woanders sind, wir müssen entschieden gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie kämpfen!“
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