41 Jahre Islamische Republik Iran heißt 41 Jahre Menschenrechtsverletzungen!

Die „Islamische Republik: Theokratische Diktatur statt Demokratie

 

Als Ayatollah Chomeini am 01. Februar 1979 aus dem Exil zurückkehrte, wurde er euphorisch empfangen. Mit ihm verbanden die Menschen die Hoffnung auf ein Ende der Armut und der Autokratie, die sie unter der Schah-Zeit erlebt hatten. 

 

Diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Anstelle der Monarchie errichtete Chomeini eine „islamische Republik“, die nichts anderes ist als eine theokratische Diktatur. Auch wenn alle Iraner*innen ab dem vollendeten 17. Lebensjahr an die Wahlurne gehen dürfen – die Frauen haben seit den 60er Jahren das Wahlrecht – und damit das Parlament und der Präsident formal demokratisch gewählt sind, sind die Wahlen de facto nicht frei: An der Spitze des Staates steht nicht der gewählte Präsident, sondern der „Revolutionsführer“ (Ali Khamenei als Nachfolger des 1989 verstorbenen Chomeini). Dieser legt nicht nur die politischen Leitlinien fest, sondern bestimmt über den ihm unterstellten Wächterrat letztlich auch, wer zu den Parlamentswahlen überhaupt antreten darf. 

 

Viele Menschen leben in Armut

 

Außerdem kontrolliert der „Revolutionsführer“ über ein dichtes Netzwerk an staatlichen Stiftungen und informellen Organisationen  auch große Teile der Wirtschaft und ist damit verantwortlich für Korruption und Klüngelei, die in der iranischen Bevölkerung für zunehmende Armut sorgen.

 

Drei Viertel aller Iraner*innen sind jünger als 40 Jahre. Sie sind überwiegend gut ausgebildet, auch und gerade die Frauen (65 Prozent der Studierenden sind weiblich). Aber: Vor allem Frauen und junge Menschen, die nicht Mitglied einer „linientreuen“ Organisation  sind, haben es schwer, überhaupt Arbeit zu finden. Und selbst wenn sie einen Arbeitsplatz haben, verdienen sie so wenig, dass sie keine Familie gründen und sich kein Leben aufbauen können. Nicht einmal das Gehalt eines Professors reicht aus, um eine Familie zu ernähren! Vor allem in den letzten Jahren sind die Preise für Lebensmittel, Medikamente und Benzin immer weiter angestiegen –  auch als Folge der Wirtschaftssanktionen, welche die USA nach Kündigung des Atomabkommens Anfang 2018 wieder verhängt haben. 

 

Diese desolate Lebenssituation ist ein Grund, warum im Iran immer mehr Menschen auf die Straße gehen. 

 

Im Namen des Islam werden Freiheit und Frauenrechte unterdrückt

 

Dazu kommen die Unterdrückungen und Repressalien der Sittenwächter, die den Alltag der Iraner*innen kontrollieren. Obwohl das iranische Volk sehr divers ist – im Iran leben eben nicht nur Perser*innen, sondern beispielsweise auch Afghan*innen, Kurd*innen, Turkmen*innen und Armenier*innen – und obwohl nahezu alle Religionen in diesem Vielvölkerstaat praktiziert werden (neben dem Islam auch das Christentum oder die Bahai-Religion), ist der Islam seit 1979 die Staatsreligion. Das heißt: Alles Handeln in Politik und im Alltag muss nach islamischen Grundsätzen geschehen. Beispielsweise werden die Geschlechter  in der Öffentlichkeit strikt voneinander getrennt. Ein Spaziergang mit dem Partner oder der Partnerin durch die Straßen Teherans ist – zumindest, wenn die beiden nicht verheiratet sind – kaum möglich. Bis vor kurzem gewährten die Fußballstadien weiblichen Fußballfans keinen Zutritt. 

 

Vor allem Frauen werden im Iran systematisch unterdrückt. Obwohl auf dem Papier „Männer und Frauen vor dem Gesetz gleich sind“, haben sie nicht die gleichen Rechte. Frauen dürfen bestimmte Berufe, wie das Richteramt, nicht ergreifen, sie dürfen sich nicht ohne weiteres scheiden lassen, sie dürfen ohne Zustimmung des Ehemannes ihren Wohnort nicht wechseln und nicht ins Ausland reisen. Ihnen wird per Gesetz vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden haben: nämlich zurückhaltend und mit bedeckten Haaren. Wer gegen die Kleidungsvorschriften verstößt, muss mit drakonischen Strafen rechnen: Im Januar nahm die iranische Schach-Schiedsrichterin Shohreh Bayat während der Schach-WM der Frauen in Shanghai aus Protest ihr Kopftuch ab. Nach der WM kehrte sie nicht in ihre Heimat zurück, weil sie dort damit rechnen muss, ins Gefängnis geworfen zu werden. 

Ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der vorbestimmten Rolle als Ehefrau und Mutter ist Frauen damit kaum möglich. Als eines von nur fünf Ländern der Erde hat der Iran die UN-Konvention zur Beseitigung von Diskriminierung an Frauen nicht unterzeichnet.

Religiöse, ethnische oder sexuelle Minderheiten werden im Iran verfolgt und marginalisiert. 

Elementare Grundrechte wie das Recht auf Meinungs-, Informations-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sind stark eingeschränkt oder schlicht nicht existent. Nach den Protesten zur Jahreswende 2017/2018 wurde beispielsweise die Internetgeschwindigkeit von staatlicher Seite gedrosselt und der Zugang zu bestimmten Internetseiten und sozialen Netzwerken gesperrt.  

 

Politisch Andersdenkende werden inhaftiert und gefoltert

 

Die Folge: Immer mehr Menschen begehren gegen Armut und Unterdrückung auf. Die Wahl des ultrakonservativen Präsidenten Ahmadineschad trieb im Jahr 2009 Zehntausende in der sogenannten „Grünen Bewegung“ auf die Straße. Zum Jahreswechsel 2017/2018 demonstrierten vor allem in den ländlichen Gegenden Tausende gegen die steigenden Lebensmittelpreise. Gleichzeitig protestierten immer mehr Frauen gegen den Kopftuchzwang, indem sie das Tuch abnahmen und an einem Stock durch die Luft schwenkten. Im November 2019, als die Benzinpreise um bis zu 300 Prozent erhöht wurden, kam es erneut zu landesweiten Demonstrationen – mit fatalen Folgen: Während der viertägigen Proteste verloren über 200 Demonstrierende ihr Leben, darunter zwanzig Jugendliche. Über 7500 Menschen wurden verhaftet und viele wurden verletzt. 

 

Politisch Andersdenkende werden im Iran rigoros inhaftiert, gefoltert und ermordet. Gefängnisse, wie das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran sind überfüllt – oft teilen sich bis zu 60 Häftlinge eine Zelle und haben nicht einmal die Möglichkeit, sich auf dem Boden auszustrecken, um zu schlafen. Die hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung sind katastrophal. Die Inhaftierten werden ohne faires Gerichtsverfahren mit Peitschenhieben, Amputationen, Blendungen oder mit dem Tod bestraft – auch wenn sie noch minderjährig sind.  Oft erfahren die Angehörigen nicht einmal, was mit ihren Eltern, Geschwistern oder Lebenspartner*innen passiert ist. 

 

Die britische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe ist seit fünf Jahren im Evin-Gefängnis inhaftiert. 2016 war sie während eines privaten Besuchs bei ihren Eltern im Iran wegen Spionageverdachts verhaftet worden. Bei ihr war ihre damals zweijährige Tochter. Dem Mädchen wurde nach der Verhaftung der Mutter die Ausreise nach Großbritannien verweigert. Erst Jahre später konnte sie zu ihrem Vater zurückkehren. 

 

Im März 2019 wurde die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Sie sitzt ebenfalls seither im Evin-Gefängnis.

 

Wir dürfen nicht schweigen!

 

Auch unsere GRÜNE Stadträtin aus dem Nordend, Nargess Eskandari-Grünberg wurde als Jugendliche im Evin-Gefängnis inhaftiert und gefoltert. Anlässlich einer Solidaritätskundgebung am vergangenen Wochenende appellierte sie an die EU und an Amnesty International, eine Delegation in den Iran zu schicken und die Menschenrechtsverletzungen dort zu untersuchen. 

 

Denn die Medien berichten kaum über die Situation der Menschen im Iran. Wenn der Iran Thema in den Nachrichten ist, dann meist im Zusammenhang mit dem Atomabkommen, den außenpolitischen Beziehungen zu den USA, zu Israel, dem Irak oder Syrien. „Alle Europäer machen Geschäfte im Iran, aber keiner redet von den Verletzungen der Menschenrechte“, konstatiert Eskandari-Grünberg.

Auch die westlichen Regierungen verhalten sich ruhig: So äußerte sich die Bundesregierung erst nach drei Wochen zu den Gewalttaten während der Novemberproteste. Und im vergangenen Jahr gratulierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den iranischen Machthabern zum 40-jährigen Bestehen der „Islamischen Republik“, ohne dabei die Freiheitseinschränkungen und Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren. 

 

„Wir dürfen nicht aufgeben und müssen weiter kämpfen“, fordert Nargess Eskandari-Grünberg. „Wir müssen unsere Stimmen erheben, damit die politischen Gefangenen im Iran freigelassen werden. Wir dürfen nicht schweigen und müssen Nein zu dieser Regierung sagen, zu den Verletzungen, die seit Jahren hingenommen werden!“

 

Zum Weiterlesen: 

Dossier „Iran“ der Bundeszentrale für politische Bildung

Monireh Baradaran, „Erwachen aus dem Alptraum“, Unionsverlag, 1. Aufl. 1998 

 

Zum Weiterschauen:

„Born in Evin“ von Maryam Zaree (2019) – läuft noch in ausgewählten Kinos und Sondervorstellungen



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