Diversity Diary: Noch Luft nach oben beim Klimaschutz

10. Oktober: „Doppelzehnfest“ in Taiwan

 

Das andere China

 

Neben der Volksrepublik China gibt es noch eine zweite chinesische Republik, die „Republik China“ – besser bekannt als Taiwan. Nur knapp 36.000 Quadratkilometer – etwa die Größe Baden-Württembergs - misst der kleine Inselstaat im südchinesischen Meer. Aber mit 23, 5 Millionen Einwohner*innen ist er einer der am dichtest besiedelten Staaten

 der Erde. Die meisten Taiwaner leben im Westen  der Insel, in der Gegend um die Hauptstadt Taipeh. 

Anders als das chinesische Festland stand die Insel Taiwan von 1895 bis 1945 unter  japanischer Herrschaft und fiel erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges an China. Allerdings umfasste die am 01. Januar 1912 ausgerufene Republik China auch die Insel Taiwan. Noch heute wird der 01. Januar 1912 in Taiwan als Beginn der Zeitrechnung gesehen – kalendarisch befindet sich Taiwan daher im Jahr 110. Der 10. Oktober, der Tag des Aufstandes von Wuchan 1911, der letztlich zur Gründung der Republik geführt hat, ist der taiwanische Nationalfeiertag. Aufgrund des Datums wird er auch als „Doppelzehnfest“ bezeichnet. Nachdem die Kommunistische Partei in China in Herrschaft übernommen hatte, zogen sich die oppositionellen Kräfte – die Anhänger*innen der Komintern-Partei – nach Taiwan zurück und führten die Republik China – im Gegensatz zur Volksrepublik auf dem Festland – fort; zunächst als Einparteien-Republik, die vor allem seit Ende der 80er Jahre schrittweise demokratisiert wurde. Es gibt in Taiwan fünf Staatsgewalten, die nach der Verfassung strikt getrennt sind: Der Exekutiv-Yuan ist die Regierung und wird vom Premierminister geführt. Der Justiz-Yuan ist die oberste Gerichtsbarkeit. Der Prüfungs-Yuan wählt die Beamtinnen und Beamten aus. Der Kontroll-Yuan ist mit dem Rechnungshof vergleichbar. Der Legislativ-Yuan, das gesetzgebende Parlament, hat 113 Sitze, die alle vier Jahre neu vergeben werden. 1992 fand die erste freie Parlamentswahl statt; seit 1997 wird der oder die Präsident*in alle vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Seither ist die politische Landschaft hauptsächlich von zwei Blöcken geprägt: der pan-grünen Koalition mit der liberalen Demokratischen Fortschrittspartei (DDP), welche die Unabhängigkeit Taiwans fördern und der pan-blauen Koalition, die von den Kuomintang angeführt wird und eine Wiedervereinigung mit China anstrebt. Derzeit stellt die DDP mit Tsai Ing-wen nicht nur die Präsidentin, sondern erstmals auch die Mehrheit im Parlament. Es gibt in Taiwan auch eine GRÜNE Partei, die allerdings nicht Teil der pan-grünen Koalition ist. 

Bis 1971 war Taiwan Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Unter chinesischem Druck brachen viele westliche Staaten ihre Beziehungen zu Taiwan ab. Auch Deutschland unterhält formell keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, auch wenn die wirtschaftlichen Verbindungen eng sind und es in mehreren großen Städten, darunter Frankfurt, inoffizielle diplomatische Vertretungen gibt. Bis heute ist die völkerrechtliche Stellung Taiwans umstritten. 

 

Made in Taiwan als Gütesiegel

 

Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Taiwans Wirtschaft immens gewachsen. Vor allem im Technologiesektor, vor allem in der Produktion von PC-Komponenten, ist der Inselstaat heute führend – auch hierzulande tragen viele Produkte das Siegel „Made in Taiwan“. 

Entsprechend hoch ist der soziale Standard – es gibt eine staatliche Gesundheitsfürsorge und ein Rentensystem, in das alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtend einzahlen müssen. Das taiwanische Schulsystem gehört zu den besten der Welt – allerdings stehen die Schüler*innen wie auch in China und Japan unter hohem Leistungsdruck. Auch in Taiwan suchen die Universitäten ihre Studierenden in schweren Aufnahmeprüfungen aus, auf die sich die Kandidat*innen in privaten Nachhilfeschulen vorbereiten. 

Während die herkömmlichen Geschäfte meist zwischen 08.00 Uhr und 22.00 Uhr geöffnet haben – die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt auch in Taiwan 40 Stunden – sind die „Convenience Shops“ an sieben Tagen rund um die Uhr geöffnet. Sie bieten nicht nur Waren des täglichen Bedarfs, sondern auch die Möglichkeit, Steuern, Strom- und Gasrechnungen zu bezahlen und behördliche Auskünfte zu erhalten. Auch in Dörfern beträgt der Weg zum nächsten Convenience-Shop selten mehr als 500 Meter. Auf den Kassenbons befinden sich häufig Registriernummern, mit denen die Kund*innen automatisch an einer staatlichen Lotterie teilnehmen. Das steigert das Kaufinteresse und auch die Umsatzsteuer. Neben den Convenience Shops gibt es in jeder Stadt Nachtmärkte, in denen lokale Spezialitäten verkauft werden. 

 

Heiße Quellen und Müllkontrolle

 

Das Klima in Taiwan ist gemäßigt bis tropisch: Im Winter kann es in den Bergen durchaus einmal schneien; im Schnitt sinken die Temperaturen aber auch im Winter nicht unter 12 Grad ab. Die Sommer sind heiß und feucht; in der Zeit von Juni bis August ziehen gewöhnlich einige Taifune über die Insel. In den letzten Jahren haben auch in Taiwan Wetterextreme wie wolkenbruchartige Niederschläge und Hitzeperioden, zugenommen. Als Reaktion hat die Regierung Gesetze zur Reduzierung der Emissionen erlassen und ein nationales Klimaziel vorgegeben, wonach bis 2025 die Energie zu 20 % aus erneuerbaren Quellen, zu 50 % aus Erdgas und nur noch zu 30 % aus Kohle stammen soll. Dennoch muss Taiwan in puncto Klimaschutz noch kräftig zulegen: Im aktuellen Klimaschutzindex, der die Bemühungen der Staaten um den Klimaschutz misst, befindet sich der Inselstaat lediglich auf Platz 57 von insgesamt 61 Ländern.

Nationalparks sind in Taiwan eine junge Errungenschaft – der erste, der Kenting-Nationalpark an der Südspitze der Insel,  entstand erst 1984. Heute stehen 8,4 Prozent der Staatsfläche unter Naturschutz. Ein beliebtes Ziel vor allem chinesischer Tourist*innen sind die heißen Quellen im Tal von Taitung an der Ostküste und in weiteren Gebirgsregionen. 

Eine Besonderheit in Taiwan ist die Mülltrennung – die sogar noch strikter erfolgt als in Deutschland. Anders als hierzulande werden die gefüllten Behälter nicht einfach von der Müllabfuhr geleert – die Bewohner*innen müssen die Tonnen persönlich abliefern und der Müll wird streng kontrolliert und auf zwei verschiedene Fahrzeuge – eines für recycelbare Überreste, eines für den Restmüll – aufgeteilt. Allein in Taipeh sind täglich 380 Müllwägen unterwegs. 

 

Zwischen Schamamismus, japanischer Architektur und Bubble Tea – Das Leben in Taiwan

 

Der Buddhismus und der Daoismus sind heute die am meisten verbreitetsten Religionen in Taiwan. Es gibt unter den Ureinwohner*innen aber auch noch traditionelle Schaman*innen, die vor allem in Krankheitsfällen und Krisen konsultiert werden. Auch die traditionelle Medizin konnte sich neben der westlichen Medizin halten. 

Taiwanische Theater- und Opernaufführungen sind eng mit der chinesischen Oper verwandt; es dominiert die Musik, die Schauspieler*innen tragen farbenprächtige Kostüme und Masken. 

Die Kultur der tawainischen Ureinwohner*innen – traditionelle Tänze und Feste – lässt sich beispielsweise im nordtaiwanischen Wulai erleben. 

Nach der Flucht der Kuomintang nach Taiwan wurde Mandarin als alleinige Amtssprache eingeführt und alle japanischen und traditionellen Einflüsse bekämpft. Trotzdem zeigt sich auch heute noch ein japanischer Einfluss auf die taiwanische Kultur -  nicht nur ist die einst  von den Japanern eingeführte Sportart Baseball äußerst beliebt; auch viele Häuser sind im japanischen Stil erbaut und eingerichtet. Wie Deutschland wurde auch Taiwan zudem von der amerikanischen Kultur beeinflusst.  

Die Vielzahl der Einflüsse prägen auch die taiwanische Küche, die laut einer CNN-Umfrage von 2017 zu den besten der Welt zählen soll. Hauptzutaten sind Schweinefleisch, Reis und Sojabohnen; im Gegensatz zu anderen asiatischen Küchen ist Rindfleisch eher weniger verbreitet. Da auf einer dichtbesiedelten Insel der landwirtschaftliche Anbau nur eingeschränkt möglich ist, sind Meeresfrüchte die Haupt-Proteinquelle. Typische Gerichte sidn Kezaijian – ein Omelett aus Eiern, Austern und Chrysanthemenblättern, Wumigao, eine Art Pastete aus Schweineblut und Reis, die auf Spießen mit Erdnussbutter, scharfer Soße oder Koriander gereicht wird oder Sanbeiji („Dreibechergericht“), ein Hühnchengericht, das mit drei Bechern Reiswein, Sesamöl und Sojasoße bereitet wird. Beliebt sind Grillgerichte, wobei Süßkartoffeln, Yams und Huhn auf traditionelle Weise in einem mit Holz und Kohle entzündeten Haufen Erde, gegrillt werden. 

Betelnuss als Genussmittel zum Kauen wird an vielen Ständen entlang der Landstraßen verkauft. 

Ein beliebtes Getränke ist der in den letzten Jahren auch hierzulande bekanntgewordene „Bubble Tea“, der aus grünem oder schwarzen Tee, Milch und Fruchsirup gemixt und mit farbigen Kügelchen aus Tapioka versetzt wird.

In Frankfurt, wo 248 Taiwaner*innen zu Hause sind, könnt ihr diese und andere Spezialitäten beispielsweise im Ichiban Taiwan Restaurant im Bahnhofsviertel probieren; den Bubble Tea bieten Lilly&Willi im Ostend an.

 

Zum Weiterlesen:

Qui Miaojin, Aufzeichnungen eines Krokodils. Ulrike Helmer Verlag Sulzbach/Ts., 2020. ISBN 978-3897414419, erzählt von der queeren Szene Taiwans.

Lung Yingai: Taiwans kulturelle Schizophrenie. Projekt Verlag Bochum 2006, ISBN 978-3897331365. Die Kulturkritikerin thematisiert in drei Essays die Zerissenheit der Kultur zwischen taiwanischer Identität und den chinesischen Wurzeln

 

Zum Weiterschauen:

Eat Drink Man Woman (1994), erzählt eine Familiengeschichte aus Taipeh. Abrufbar auf Amazon Prime. 

 

In Frankfurt:

Ichiban Taiwan Restaurant, Düsseldorfer Str. 11, Frankfurt-Bahnhofsviertel

Lilly&Willy BubbleTea, Pfingstweidstr. 3, Frankfurt-Ostend

 

 

12. Oktober: Dia de la Hispanidad in Spanien

 

Ein Hoch auf Christoph Kolumbus?

 

Am „Dia de la Hispanidad“ gedenkt Spanien einem seiner bedeutendsten Seefahrer: Christoph Kolumbus, der am 12. Oktober 1492 Amerika entdeckte und über dem Teich die spanische Kultur verbreitete. Auch wenn sich das Englische in Nordamerika letztlich durchsetzte, ist Spanisch bis heute die Amtssprache nahezu aller mittel- und südamerikanischen Länder. Diese Einheit der spanischsprachigen Welt feiern die Spanier*innen mit Militärparaden, Veranstaltungen, Musik und Tanz.

Der „Kolumbustag“ hat allerdings nicht nur Licht-, sondern auch Schattenseiten, denn die indigene Bevölkerung wurde von den spanischen Kolonialherren unterdrückt, versklavt und teilweise auch ermordet. 

 

Vom Weltreich zur modernen Demokratie

 

Der Name „Spanien“ leitet sich von der phönizischen Bezeichnung „ishapan“, Land der Klippschliefer, ab (allerdings gab es in Spanien keine Klippschliefer, sondern Kaninchen). Die Phönizier hatten die iberische Halbinsel im 11. Jahrhundert vor Christus besiedelt, bevor sie von den Römern und später von den Westgoten verdrängt wurden. Ab dem 8. Jahrhundert eroberten die Mauren Spanien. Über mehrere Jahrhunderte prägten sie die spanische Kultur. Noch heute sind arabische Bauwerke wie die Alhambra in Granada/Andalusien erhalten. 1492 endete die Herrschaft der Mauren mit dem Fall Granadas. In der Folgezeit wurden Muslime und Juden von der spanischen Krone gnadenlos verfolgt. Vor allem mit der  Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus stieg Spanien zur Weltmacht auf. Um 1600 erstreckte sich das spanische Kolonialreicht über große Teile Süd- und Mittelamerikas, den Süden der USA und die Philippinen, später auch über afrikanische Länder. Die letzten Kolonialstaaten wurden erst im 20. Jahrhundert unabhängig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Spanien nicht nur wirtschaftlich rückständig, sondern auch politisch instabil: Militärherrschaft und republikanische Strukturen wechselten sich ab, teilweise verbunden mit blutigen Aufständen. 1936 entbrannte nach dem Putschversuch des Generals Francisco Franco der Spanische Bürgerkrieg, in dem der General Unterstützung u.a. auch von Nazi-Deutschland erhielt und so die Macht letztlich an sich reißen konnte. Erst nach dem Tod Francos 1975 kam es unter König Juan Carlos I. zu einer Demokratisierung des Landes. 

Heute ist Spanien eine parlamentarische Monarchie. Der König, derzeit Felipe VI., ist Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte; im übrigen nimmt er eine repräsentative Funktion ein. Das Parlament, die „Cortes Generales“ besteht aus zwei Kammern, dem „Congreso de los Diputados“  mit 300 bis 400 Abgeordeten und dem „Senado“ mit 259 Sitzen. Das spanische Wahlrecht begünstigt große und regionale Parteien. Aus diesem Grund musste sich die 2011 gegründete GRÜNE Partei Equo mit der linken Más Pais zusammentun, um in den Kongress einziehen zu können. Die stärkste Partei im Kongress ist derzeit die sozialdemokratische PSOE, die mit der linken „Podemos“ eine Minderheitsregierung bildet. Eine lange Geschichte hat in Spanien der Kampf um das Frauenwahlrecht: Auch wenn 1931 erstmals drei Frauen in das Parlament gewählt wurden, hatten Frauen seinerzeit noch kein aktives Wahlrecht. 1957 wurde das Wahlrecht lediglich verheirateten Frauen zugestanden. Erst die neue Verfassung von 1978 garantiert allen Erwachsenen das uneingeschränkte Wahlrecht. 

Immer wieder sind Separationsbestrebungen einzelner Regionen Thema in Spanien. Jahrzehntelang, bis zu ihrer Auflösung 2018, versuchte die Untergrundorganisation ETA mit terroristischen Mitteln, die Unabhängigkeit des Baskenlandes zu erzwingen. Am 01. Oktober 2017 löste ein im Nachhinein für verfassungswidrig erklärtes Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien eine Staatskrise aus. Die Mehrheit der Abstimmenden hatte für die Unabhängigkeit der Provinz gestimmt. 

 

Vom Agrarstaat zum Touristenmagnet

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Spanien ein wirtschaftlich rückständiges Agrarland. Erst mit der Demokratisierung seit 1975 und dem Beitritt zur EU 1986 folgte der wirtschaftliche Aufschwung. Zu den international tätigen spanischen Unternehmen gehören beispielsweise der Autobauer Seat, der Mobilfunkanbieter Telefónica oder das Modelabel Zara. Die Finanzkrise von 2008 stürzte jedoch auch Spanien in die Rezession; es gehörte zu den Ländern, die den europäischen Rettungsschirm in Anspruch nehmen mussten. Die infolge der Krise exorbitant gestiegene Arbeitslosenquote konnte aktuell wieder gesenkt werden (Stand 2018 bei 15,2 %); allerdings ist die Jugendarbeitslosigkeit mit knapp 40 Prozent nach wie vor (zu) hoch. Der Tourismus spielt in Spanien eine große Rolle: Mit über 75 Millionen Tourist*innen jährlich gehört Spanien zu den meistbesuchten Ländern der Welt. Das beliebtste Reiseziel sind dabei die Kanarischen Inseln. Das Ausbleiben der Urlauber*innen während der Corona-Pandemie hat die Armut in Spanien drastisch verstärkt: Mehr als ein Viertel der Mallorquiner*innen leben nach einer Studie der Universität der Balearen in Armut. Vor allem die Jüngsten sind von Armut betroffen; mehr als 740.000 Kinder und Jugendliche fallen unter die Armutsgrenze. Obwohl die spanische Regierung 2020 eine Grundsicherung eingeführt hat, ist nahezu jede*r Zehnte armutsgefährdet. 

 

Nachholbedarf beim Klimaschutz

 

Während an der nördlichen Atlantikküste die Winter und Sommer mild sind, kann es auf dem spanischen Festland im Sommer sehr heiß werden. In Andalusien können die täglichen Temperaturschwankungen bis zu 25 Grad betragen. Hier wie auch in Katalonien muss im Frühjahr und Herbst mit wolkenbruchartigen Niederschlägen gerechnet werden. Lange kalte Winter herrschen dagegen in den Höhenlagen der Pyrenäen. Auch Spanien ist vom Klimawandel besonders betroffen: In den zurückliegenden heißen Sommern kam es immer wieder zu Waldbränden; die ohnehin schon vorhandene Wasserknappheit verschärfte sich. Bei weiter steigenden Temperaturen – so Klimaforscher*innen – droht Austrocknung bis hin zur  Wüstenbildung, der Küstenstreifen wird schmaler und Strände überschwemmt. Auch der Weinanbau, beispielsweise in La Rioja, ist durch die Klimaerwärmung gefährdet. Lange Zeit hat der Umwelt- und Klimaschutz in Spanien trotzdem nur eine untergeordnete Rolle gespielt, jetzt hat sich die spanische Regierung ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2050 will Spanien klimaneutral sein und  Emissionen in Industrie, Verkehr und Landwirtschaft nahezu vermeiden. Dies sieht ein neues Klimaschutzgesetz vor, das im Mai verabschiedet wurde. Es regelt auch, dass im Jahr 2030 der Anteil an erneuerbaren Energien bei 74 Prozent liegen und die CO2-Emissionen um 23 Prozent gegenüber 1990 gesunken sein sollen. Aktuell wird die Energie noch zu fast drei Vierteln aus fossilen Quellen gewonnen. Und auch wenn bereits 1983 ein Moratorium zum Ausstieg aus der Atomenergie verabschiedet wurde, sind bis heute sechs Kernkraftwerke in Betrieb. Umsteuern will Spanien auch im Mobilitätssektor: Bis 2040 sollen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verboten und der Verkehr zunehmend aus den Innenstädten verdrängt sein. 

Auch wenn Spanien im aktuellen Klimaschutzindex lediglich Platz 41 von 61 Ländern belegt – gerade in puncto Verkehrspolitik kann Deutschland durchaus von Spanien lernen: Anders als hierzulande  ist das Parken auf Bürgersteigen in Spanien strikt untersagt; unberechtigt parkende Fahrzeuge werden sofort abgeschleppt. Auf Autobahnen gilt generell eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h und einige Autobahnen sind bereits seit Jahren mautpflichtig. 

 

Flamenco als Schulfach und Churros zum Frühstück: Leben in Spanien

 

Rund 47 Millionen Menschen leben in Spanien. Besonders dicht besiedelt sind die Metropolregionen Madrid und Barcelona; zusammengenommen lebt hier rund ein Viertel der Bevölkerung. Allein in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Einwohner*innen stark angestiegen. Zurückzuführen ist dies auch auf die verstärkte Einwanderung. Vor allem seit Ende der 80er Jahre kamen viele Menschen aus Lateinamerika nach Spanien.  

Neben Spanisch sind in Katalonien, Valencia und auf den Balearen auch Katalanisch, im Baskenland auch Baskisch und in Galizien Galizisch offizielle Amtssprachen. In Katalonien erfolgt der Unterricht an Schulen und Universitäten größtenteils auf Katalanisch. Eine Minderheit stellen die rund 800.000 Gitanos, die spanischen Roma, die vor allem in den großen Städten beheimatet sind. 

In Spanien dominiert der römisch-katholische Glaube; jedoch bekennen sich nur noch rund 68 Prozent der Spanier*innen aktiv zu ihrer Kirche. Kirchensteuern werden in Spanien nicht erhoben; seit 2007 können Steuerzahler*innen entscheiden, ob ein Teil ihrer Lohnsteuer für kirchliche oder aber für andere soziale oder kulturelle Zwecken verwendet werden soll. Ein Kirchenaustritt ist rechtlich nicht ohne weiteres möglich. 

Feiertage sind in Spanien nicht statisch festgeschrieben, sondern werden jedes Jahr neu definiert, können also auch einmal ausfallen oder durch andere freie Tage ersetzt werden. Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, ist oft der darauf folgende Montag arbeitsfrei. Insgesamt 14 Feiertage stehen jährlich im Kalender. Neben nationalen Feiertagen gibt es auch regionale, so ist beispielsweise der 24. Juni, der Johannis-Tag in der Region Katalonien ein Feiertag, während in anderen Regionen sich die Menschen erst abends treffen, um die Johnannis-Feuer zu entzünden. Auch der Ostermontag und der zweite Weihnachtsfeiertag sind nur in einigen Regionen Feiertage.  

Spanien hat zahlreiche Kulturschaffende und Künstler*innen hervorgebracht, darunter beispielsweise die Maler Pablo Picasso, Salvador Dalí und den Bildhauer Joan Miró, den Architekten Antoni Gaudi und die Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga und Manolo Blahnik.

Fußball ist in Spanien der mit Abstand beliebteste Sport, die Clubs Real Madrid und FC Barcelona gehören zu den erfolgreichsten Fußballvereinen Europas. 2010 wurde Spanien zum ersten Mal Fußballweltmeister. Eine typisch baskische Tradition ist Pelota, ein Schlagballspiel, das in etwa dem Squash vergleichbar ist. In fast jedem baskischen Dorf gibt es einen Pelotaplatz. 

Aus Andalusien stammt die Tradition des Flamenco, des rhythmischen Gesangs und Tanzes zur Begleitung von Gitarre und Kastagnetten. Seit dem Schuljahr 2014/15 ist die Kunst des Flamenco offizieller Bestandteil des Lehrplans an andalusischen Schulen. 

Die Corrida, der Stierkampf, ist – gerade in Touristenregionen – immer noch Teil der spanischen Tradition, auch wenn Tierschutzverbände bereits seit Jahren ein Verbot fordern. Auf den Kanarischen Inseln und in Katalonien ist dieses mittlerweile umgesetzt worden. 

In der spanischen Küche dominieren Fisch und Meeresfrüchte, Hülsenfrüchte und Weißbrot. Das spanische Frühstück besteht üblicherweise nur aus Kaffee und einem Stück Gebäck; lediglich am Sonntag oder an Feiertagen genehmigen sich die Spanier*innen Churros, Stangen aus frittiertem Brandteig. Dafür sind sowohl das Mittag- als auch das Abendessen in der Regel warme Mahlzeiten, die in zwei Gängen plus Nachtisch gereicht werden. Beide Mahlzeiten werden später als in Deutschland eingenommen; zum Mittagstisch setzt man sich erst zwischen 13.30 Uhr und 15.30 Uhr, das Abendessen kommt meist nicht vor 21.00 Uhr auf den Tisch. Außerhalb der Mahlzeiten trifft man sich zu Kaffee oder zu einem Glas Wein oder Bier mit Tapas in Bars. 

Typisch spanische Gerichte sind Eintöpfe, Paella (das Nationalgericht der Provinz Valencia), die kalte Gemüsesuppe Gazpacho aus Andalusien, Tortilla, Albondigas (Fleischklößchen in Tomatensoße) und der süße Nachtisch Crema Catalana. Die Paprikawurst Chorizo, der Jamón serrano und der Manchego-Käse sind auch hierzulande beliebte Spezialitäten. 

In Frankfurt findet ihr spanische Köstlichkeiten an vielen Ecken; im Nordend zum Beispiel in der El Azahar Taps Bar in der Glauburgstraße oder in der Casa Pintor im Bornwiesenweg. Besonders authentisch ist die Küche im Centro Cultural Gallego an der Staufenmauer. Hier lassen sich auch viele der 7.455 Spanier*innen, die in Frankfurt zu Hause sind, gerne schmecken. Spanische Kultur könnt ihr in Frankfurt bei Veranstaltungen des Instituto Cervantes kennenlernen; regelmäßig werden hier Filmabende, Ausstellungen und Konzerte angeboten. Im kommenden Jahr wird Spanien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse sein.

 

Zum Weiterlesen:

Blai Bonet: Das Meer. Kupido Literaturverlag Köln 2021. ISBN 978-3966750202, erzählt von einer Freundschaft in der Zeit des Faschismus auf Mallorca. 

Manuel Vilas, Die Reise nach Ordesa. Berlin Verlag, Berlin 2020. ISBN 978-3827014023, erzählt eine Familiengeschichte über fünf Jahrzehnte spanischer Geschichte.

Carlos Ruiz Zaifon, Der Schatten des Windes. Fischer Taschenbuch, 2013. ISBN 978-3596196159. Führt an geheimnisvolle Orte im Barcelona der 40er Jahre. 

 

Zum Weiterschauen:

Biutiful (2010), erzählt die Geschichte eines Familienvaters, der in Barcelona mit nicht immer legalen Mitteln um das Überleben seiner Familie kämpft. Abrufbar bei Amazon Prime. 

Mientras Dure la Guerra (2019), erzählt von dem Philosophen Unamuno, der 1936 die Putschisten unterstützt, bis er die wahren Absichten der Faschisten um General Franco erkennt. Erhältlich auf DVD und Blu-ray. 

 

 

In Frankfurt:

El Azahar, Glauburgstr. 34, Frankfurt-Nordend

Casa Pintor, Bornwiesenweg 75, Frankfurt-Nordend

Centro Cultural Gallego, Staufenmauer 14, Frankfurt-Innenstadt

Instituto Cervantes, Staufenstr. 1, Frankfurt-Westend: www.frankfurt.cervantes.es

 

 

15. Oktober: Dussehra

 

Das Fest Dussehra (oder Dashahara) ist der Höhepunkt eines zehntägigen Festivals und einer der höchsten hinduistischen Feiertage. Gefeiert wird der Sieg des Guten über das Böse. Wie dies genau aussieht, unterscheidet sich von Region zu Region. 

Im Norden Indiens steht das Festival im Zeichen des Gottes Rama – Dussehra ist hier ein Freudenfest zur Feier der Rückkehr des göttlichen Helden aus der Verbannung und seines Sieges über den Dämonen Ravana. Gefeiert wird mit mehrtägigen Theateraufführungen. 

In den östlichen Regionen wird der Sieg der Göttin Durga über den Büffeldämon Mahishasura gefeiert. Die Gläubigen beten Statuen, sogenannte Murti, der Göttin an. 

In den südindischen Bundesstaaten wird die Göttin Kali verehrt. Während der neuntägigen Feier, die hier Navaratri heißt, wird in fast jedem Haus ein Gerüst errichtet, auf dem Puppen mythologische Darstellungen zeigen. Die Menschen gehen von Haus zu Haus, um die ausgestellten Szenen zu betrachten. 

Auch im Westen Indiens wird eine Göttin gefeiert – Amba (zu deutsch „Mutter“). Hier ist es üblich einen mit Wasser gefüllten Tonkrug auf einem Erdhaufen zu platzieren, in den Getreide gesät wurde. Am zehnten Tag, dem Dussehra-Tag, trägt man den Tonkrug in den Tempel. 

Auch wenn die verehrte Gottheit von Region zu Region einen anderen Namen trägt, ist Dussehra in ganz Indien auch ein Familienfest, bei dem vor allem die Mütter geehrt werden. Familien und Freunde treffen sich zum gemeinsamen Essen, Tanzen und Feiern, Frauen kaufen sich neue Kleider, Schmuck und Haushaltsgeräte. Der Sieg der Gottheit über den Dämon ist auch das Zeichen für einen Neubeginn oder dazu, das Leben zum Positiven zu verändern. 

 

18./19. Oktober: Maulid an-Nabi

 

Maulid an-Nabi ist der Geburtstag Mohammeds. Der Begründer des Islam wurde 570 in Mekka geboren. Muslime in aller Welt feiern diesen Tag im Kreise ihrer Familie mit gemeinsamem Gebet, Gesang und Lesungen aus dem Koran. In der Türkei dauern die Feiern eine ganze Woche – es gibt Feuerwerke und Fackelzeuge; die Menschen verschenken Süßigkeiten und spenden Mahlzeiten für Arme. Die Moscheen sind mit Kerzen und Lichtern erleuchtet. Auch auf Java feiern die Gläubigen eine Woche lang mit Umzügen, Konzerten und Koranlesungen.

Wie alle muslimischen Feiertage ist das Datum nicht festgelegt, sondern richtet sich nach dem islamischen Kalender. Maulid an-Nabi wird am 12. Tag des islamischen Monats Rabi al-awwal gefeiert, beginnt daher in diesem Jahr am Abend des 18. Oktober und endet am Abend des 19. Oktober. 

Von sunnitischer Seite werden die Maulid-Feiern kritisiert, da nach dieser Glaubensrichtung allein Gott die Verehrung gebühren soll. 

 

 



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