Diversity Diary: Hunger, Trockenheit und Erntesegen

17. Mai: Das jüdische Wochenfest Schawuot

 

Vom Abend des heutigen Sonntags bis zum Dienstagmorgen – und damit genau 50 Tage nach Pessach - feiern Jüd*innen in aller Welt Schawuot. Mit dem Fest erinnern sie einerseits an den den Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Zum anderen fällt es in die Zeit der ersten Weizenernte in Israel und ist damit auch ein Erntedankfest. 

Der Name „Schawuot“ leitet sich von den sieben Wochen her, die zwischen Pessach und dem Wochenfest liegen. Die Synagogen werden für den Anlass festlich geschmückt; sie repräsentieren zu Schawuot den Berg Sinai. Die zehn Gebote stehen im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Auch die Häuser werden mit bunten Fahnen und Blumen geschmückt. In Israel ziehen die Kinder in weißen Kleidern mit Kränzen und Blumen durch die Stadt. Zu Schawuot werden sie in die jüdische Elementarschule (Chedar) eingeschult und mit süßen Honigkuchen beschenkt, auf denen Thoraverse stehen.

Am zweiten Feiertag gedenken die Gläubigen ihren verstorbenen Eltern.

Traditionell werden zu Schawuot milchige und oft süße Speisen gegessen. Beliebt sind Kuchen in Form der Gesetzestafeln oder Kegel. Besondere Kuchen bestehen aus sieben Schichten, die die sieben Himmel repräsentieren. Keinesfalls dürfen Fleisch- und Milchspeisen gemischt werden, daher hat es sich eingebürgert, am ersten Feiertag Milchgerichte, also zum Beispiel Eierkuchen, aufzutischen und am zweiten Feiertag Fleischgerichte. 

20.Mai: Nationalfeiertag in Kamerun

 

Mit Paraden der Uniformierten Staatsdienste und der zivilgesellschaftlichen Organisationen feiern die Kameruner ihren Nationalfeiertag: Am 20.05.1972 wurde die heutige Vereinigte Republik Kamerun gebildet. Zuvor war die einstige deutsche Kolonie, die zum Jahresbeginn 1960 von der französischen und britischen Verwaltung unabhängig wurde, eine föderative Republik gewesen. Auch wenn Kamerun formal ein demokratischer Staat ist, hat sich seither unter Präsident Biyas eine autokratische Ein-Parteien-Regierung etabliert. Erst seit Beginn der 90er Jahre sind Oppositionsparteien überhaupt zugelassen, existiert eine freie Presse. Bis heute ist Biyas im Amt. Nach wie vor ist Korruption ein weitverbreitetes Problem in dem zentralafrikanischen Staat. 

Auf einem Gebiet, das ein gutes Drittel größer ist als das deutsche Staatsgebiet leben lediglich knapp 28 Millionen Einwohner*innen – jede*r siebte von ihnen im Gebiet der Hauptstadt Youndé. Während das Bergland im Süden zu den regenreichsten Gebieten der Welt gehört, herrschen im Norden Hitze und Trockenheit. Hier macht sich – mit Dürreperioden und Überschwemmungen – zunehmend der Klimawandel bemerkbar. Auch die Abholzung der Wälder – allein zwischen 1990 und 2010 gingen jährlich 1 % der Waldfläche verloren – wirkt sich ungünstig auf das Klima aus. Vor allem in den Städten ist Umweltverschmutzung ein großes Problem. Gegen den zunehmenden Plastikmüll geht Kamerun allerdings weit entschlossener vor, als viele europäische Staaten: Schon seit 2013 gibt es eine Verordnung, die die Herstellung, den Import und den Gebrauch von Plastiktüten verbietet (wenngleich die praktische Umsetzung auch zäh verläuft).

Kamerun hat eine junge Bevölkerung: Jede*r zweite ist jünger als 15 Jahre. Obwohl 80 % der Kinder eingeschult werden, kann fast ein Viertel von ihnen weder lesen noch schreiben – andererseits hat Kamerun mit acht staatlichen und einer Vielzahl privater und konfessioneller Hochschulen ein gut ausgebautes Bildungssystem. Die sozialen Gegensätze sind hoch. Nur etwa die Hälfte der Einwohner*innen hat Zugang zu Elektrizität. 

Kamerun ist ein multiethnischer Staat: Über 285 Sprachen werden hier gesprochen, auch wenn die offiziellen Amtssprachen nach wie vor Englisch und Französisch sind. Die meisten Kameruner*innen gehören dem Christentum ein, ein Fünftel sind Muslime. Die Gesellschaft ist patriarchalisch geprägt, die Rollenverteilung traditionell. Homosexuelle Handlungen werden mit Haft bestraft. Auch wenn bei formellen Gelegenheiten und im Geschäftsleben europäische Kleidung dominiert, kleiden sich die Kameruner*innen gerne farbenfroh. Fußball ist der beliebteste Sport. Das Kameruner Grasland ist eines der Zentren westafrikanischer Kunst: Masken, Türpfosten, Trommeln und Hocker, Figuren und Glasperlenapplikationen werden hier gefertigt.

Auch wenn sich der Name „Kamerun“ von den krabbenreichen Gewässern herleitet (als die Portugiesen in Wiouri landeten, nannten sie den Fluss „Rio Cameroes“, also Krabbenfluss), spielen selbige nicht die größte Rolle in der traditionellen Küche Kameruns. Beliebter sind Fufu ( ein Brei aus Maniok oder Yams und Kochbananen), Soßen und Eintöpfe aus Gemüse, Cashew oder Erdnüssen, Baton de Manioc (um Stäbe gewickelter Maniokbrei) und das Nationalgericht Ndolé - bitterer Spinat mit Nüssen, Zwiebeln, Ingwer, Knoblauch, der mit frittierten Kochbananen oder Yams als Eintopf genossen wird. Dazu trinken die Kameruner*innen Palmwein und Hirsebier. 

In Frankfurt könnt ihr Spezialitäten aus Kamerun im Restaurant „La Villageoise“ im Dornbusch probieren. 310 Frankfurter*innen besitzen die Staatsangehörigkeit Kameruns. Für sie und alle anderen an der Kultur Kameruns Interessierten ist der Verein Nsaá Mahol Kulturverein des Basaa Volkes von Kamerun e.V. eine Anlaufstelle – natürlich könnt ihr die Kultur Kameruns auch im Rahmen der beiden afrikanischen Kulturfestivals kennenlernen, die außerhalb der Pandemie-Zeiten jährlich in Frankfurt stattfinden.

 

Zum Weiterlesen:

Patrice Nganang, Hundezeiten, Peter Hammer Verlag 2003, ISBN 978-3872949400 führt uns in eine Kneipe in Yaoundé, die den Mikrokosmos für das Leben im heutigen Kamerun bildet. Ausgezeichnet mit dem „Grand Prix Litteraire de l´Afrique Noire“, dem höchsten afrikanischen Literaturpreis

Zum Weiterschauen:

Kamerun: Das Frauendorf des Königs. Der Film aus dem Jahr 1987 dokumentiert ein Jahrhundert gesellschaftlichen Wandels am Beispiel dreier Frauengenerationen. In voller Länge auf Youtube.

Zum Genießen:

La Villageoise, Hahnstr. 75, Frankfurt-Dornbusch

 

 

22. Mai: Nationalfeiertag in Jemen

 

122 Frankfurter*innen stammen aus dem Jemen. Das Land im Süden der arabischen Halbinsel, das in den antiken Reichen Südarabiens wurzelt, wartet nicht nur mit faszinierenden Naturlandschaften, sondern auch mit zahlreichen historischen Stätten auf – mit der historischen Hauptstadt Schibam und der Medina von Zabid (beides Teil des UNSECO-Weltkulturerbes), mit der Altstadt der heutigen Hauptstadt Sanaa, der historischen Stadt Tarim und den Ausgrabungen von Baraqisch. Aber: Touristen kommen längst nicht mehr in das vom Bürgerkrieg zerstörte Land. Seit die Huthi-Milizen 2013 große Teile des Landes und die Hauptstadt Sanaa erorberten, befindet sich das Land im Kriegszustand. 2015 griff Saudi-Arabien zur Unterstützung der Regierung ein und liefert sich seither einen Stellvertreterkrieg mit dem Iran, der die Rebellen mit Waffen versorgt. Seit 2015 ist das Parlament aufgelöst, bis 2017 wurden rund 4500 Zivilisten getötet.

Hauptleidtragender der Kriegswirren ist die Bevölkerung: 80 Prozent der rund 29 Mio Einwohner*innen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, fast jedes zweite Kind unter fünf Jahren ist untergewichtig. Ein Sozialsystem existiert nicht. 2016 brach im Land die Cholera aus – mehr als 1,4 Millionen infizierten sich, 2800 starben. Auch Malaria ist ein großes Problem. Nur knapp ein Drittel der Kinder erhält nach der Grundschule noch eine weiterführende Bildung. Die soziale Infrastruktur – fast 50 % der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt und immer mehr Menschen zieht es in die Städte – verschlechtert die Situation zusätzlich.

Vor allem Mädchen werden früh zwangsverheiratet – das Schutzalter vor sexuellen Handlungen wurde von früher 15 Jahren auf faktisch neun Jahre gesenkt. Jemen praktiziert nach wie vor die Beschneidung weiblicher Genitalien – knapp ein Fünftel der Mädchen und Frauen erleiden die Verstümmelung. 

Auf dem Global Innovation Index, der die Innovationsfähigkeit von 128 Staaten bewertet, nimmt der Jemen den letzten Platz ein.

Die natürlichen Ressourcen des Landes sind knapp: Zwar sind Rohöl und Erdgas die wichtigsten Exportgüter; ihre Vorräte sind jedoch nahezu erschöpft. Mehr als 70 Prozent der Landesfläche sind von Wüste bedeckt, nur 2 Prozent der Flächen sind überhaupt landwirtschaftlich nutzbar. Hier wird vor allem Kath angebaut. Die amphetaminhaltige Pflanze ist aus dem jemenitischen Alltag nicht wegzudenken – das Kauen ihrer Blätter hat – ähnlich wie Koffein – aufputschende Wirkung. Und wie bei uns zum Kaffeekränzchen trifft man sich im Jemen zum gemeinsamen Genuss. Der landwirtschaftliche Anbau verschlingt 90 Prozent der Wasserreserven; der Klimawandel wird die Trockenheit weiter steigern – vor allem im Hochland, wo aufgrund des gemäßigten Klimas ein Großteil der Bevölkerung lebt. 

Städtische Kultur mit allen Annehmlichkeiten der modernen Unterhaltungsindustrie findet man im Jemen genauso wie dörfliches Leben mit Märchenerzählern und den traditionellen Krummdolchen, die von den jungen Männern als Statussymbol freier Stammesangehöriger getragen werden. Die Jemenit*innen gelten als sehr gastfreundlich; keinesfalls darf angebotenes Essen abgelehnt werden. Zum Essen setzt man sich auf den Boden, serviert werden traditionell Ful, ein Brei aus dicken schwarzen Bohnen und Fladenbrot, dazu süßer schwarzer Tee.

Kultur und Religion bilden im Jemen eine feste Einheit. Der Islam ist Staatsreligion  – 97 Prozent der Jemenit*innen praktizieren den muslimischen Glauben. Dementsprechend ist der  Genuss von Alkohol in der Öffentlichkeit verboten, im Alltag sind Männer und Frauen weitgehend getrennt, selbst in Restaurants gibt es getrennte Bereiche für Männer, Frauen und Familien. Auf Homosexualität steht die Todesstrafe. Nichtmuslime dürfen auch kein politisches Amt ausüben.

 

Zum Weiterlesen:

Jemen: Der vergessene Krieg. Said AlDailami. Verlag C.H. Beck 2019, ISBN 978-3406731587

Zum Weiterschauen:

Hunger Ward, Dokumentarfilm von 2020, der von der Hungersnot im Jemen und dem Einsatz zweier Frauen gegen den Hunger berichtet. Der Film kann hier kostenlos gestreamt werden.

 

24.Mai: Nationalfeiertag in Eritrea

 

„Rotes Meer“ bedeutet der Name Eritrea in der Landessprache – selbiges bildet eine natürliche Grenze des Staates, der zwischen dem Sudan, Äthiopien und Dschibuti im Nordosten Afrikas liegt. Einst italienische Kolonie, stand Eritrea ab 1941 für zwanzig Jahre unter britischer Verwaltung und wurde dann Teil des Äthiopischen Kaiserreiches. Am 24. Mai 1993 erklärte sich Eritrea von Äthiopien unabhängig. Immer wieder kam es in der Folgezeit zu Konflikten zwischen den beiden Staaten. 2018 wurde vom äthiopischen Regierungsschef Abiy Ahmed und Präsident Isayas Afewerki die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Dennoch kommt es aktuell im Grenzgebiet von Tigray zu Unruhen.

Auch wenn Eritrea auf dem Papier demokratische Strukturen hat, übt die führende Partei die „Volksfron für Demokratie und Gerechtigkeit“ unter Afewerki ein autoritäres Regime aus. Die Hälfte der Parlamentssitze steht qua Gesetz der „Volksfront“ zu, wer die Regierung kritisiert oder Asyl in einem anderen Land beantragt, wird inhaftiert – im Gefängnis drohen Folter, sexueller Missbrauch und Gewalt. 

Ungeachtet dessen fliehen viele Menschen vor den staatlichen Repressionen. In Frankfurt sind 3462 Menschen mit eritreischem Pass zu Hause. Wie alle im Ausland lebenden Eritreer*innen sind sie verpflichtet, an Eritrea eine „Aufbausteuer“ in Höhe von 2% ihres Bruttoeinkommens zu zahlen. Dies gilt selbst dann, wenn sie ihre Staatsangehörigkeit aufgeben. Die Zahlung kann nur vor Ort erfolgen – wer nicht nach Eritrea reisen kann, muss einen Verwandten beauftragen. Vor allem für junge Männer ist die Reise riskant – ihnen droht ein zeitlich unbegrenzter Militärdienst. Wer nicht zahlt, erhält keine staatlichen Dokumente, kann keine Erbschaften antreten und riskiert Repressalien gegen im Land lebende Verwandte. Für Eritrea bedeutet die Abgabe eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Sechs Millionen Menschen leben in Eritrea, ein Viertel davon im Gebiet der Hauptstadt Asmara. Die Bevölkerung Eritreas wächst stark; auch heutzutage haben nur 7 % der Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln. Auch wenn nur knapp die Hälfte der Kinder eine Grundschule und nur jedes fünfte Kind eine weiterführende Schule besteht und nicht selten über 90 Schüler*innen zusammen in einer Klasse sitzen, liegt die Alphabetisierungsrate bei 93 Prozent. Es existiert ein staatliches Gesundheitssystem, das für Personen mit Armutsausweis kostenlos ist. Von Armut und Hunger sind viele Menschen betroffen – schuld ist neben der wirtschaftlichen Inkompetenz der Regierung auch die durch den Klimawandel verstärkte Dürre. Vor allem die Küstengegend am Roten Meer ist heiß und trocken – im Hochland, wo die großen Städte liegen, fällt dagegen in den Sommermonaten viel Regen. 

Neun ethnische Gruppen leben in Eritrea, über die Hälfte sind Tigrinya. Ihre Sprache ist neben Arabisch eritreische Amtssprache. Muslime und Christen sind zu gleichen Teilen vertreten; eine Staatsreligion gibt es in Eritrea nicht. Der in Eritrea beliebteste Sport ist der Radsport – an den Wochenenden finden anspruchsvolle Straßenrennen statt.

Aus der eritreischen Küche nicht wegzudenken sind Fladenbrote: Kitcha ist dünn und knusprig,  Injera dagegen schwammartig. Dazu gibt es Zigni, einen Eintopf aus Tomaten, Fisch oder Fleisch und Gemüse oder Tsebhi, ein Schmortopf aus Lamm- oder Rindfleisch. Verzehrt werden die Gerichte an niedrigen Tischen mit den Fingern der rechten Hand (die linke Hand gilt als unrein).

Eritreische Gerichte könnt ihr auch in Frankfurt probieren – im Restaurant Savanna in der Innenstadt. Die große eritreische Gemeinde in Frankfurt-Griesheim bietet mit dem „Café International“ kulturelle Begegnungen an, auch in digitaler Form. Mit dem SSV Eritrea gibt es in Frankfurt sogar einen eritreischen Fußballverein, der in der Kreisliga vertreten ist. 

 

Zum Weiterlesen:

Helen Berhane, Mein Lied klingt aus der Nacht. Brunnen/HMK 2012, ISBN: 978-65541292. Erzählt vom Alltag im Containergefängnis Mi Serva. 

Zum Weiterschauen:

Eritrea – ein Esel für die Zukunft. Die Geo-Reportage aus der Reihe 360° erzählt von einer Hebamme im Hochland Eritreas. In voller Länge auf Youtube

Zum Genießen und Erleben:

Restaurant Savanna, Alte Gasse 69, Frankfurt-Innenstadt

Eritreische Gemeinde Griesheim: www.mariaehimmelfart-ffm.de

 



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