Diversity Diary: Vom Aufgang der Sonne…

13. April: Der Ramadan beginnt

 

Allzu heiß dürfte der „heiße Monat“ (das bedeutet „Ramadan“ in der Übersetzung) in diesem Jahr zum Glück nicht werden. Einen Monat lang – jeweils im neunten Monat des islamischen Mondkalenders, in dem nach islamischer Überlieferung der Koran vom Himmel herabgesendet wurde – dürfen gläubige Muslime von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder etwas essen noch trinken. Man kann sich vorstellen, mit welchen körperlichen Strapazen dies verbunden ist, wenn der Fastenmonat in den Hochsommer fällt. Doch der Beginn des Ramadan ist nicht fix – jährlich verschiebt sich der Beginn der Fastenzeit um etwa 10 Tage nach vorn. Neben Essen und Trinken sind auch Rauchen, Sex, aber auch üble Nachrede, Beleidigungen und Lügen in dieser Zeit tabu. Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islam – neben der Glaubensbezeugung, dem Gebet, der Abgabe des Zakat und der Pilgerfahrt nach Mekka. Es dient der Stärkung der Gottesfurcht, aber auch der Stärkung von Disziplin und Charakter, der Solidarisierung mit den Armen und der Wertschätzung von Nahrung. Während des Ramadan sollen Gläubige möglichst viele gute Taten vollbringen, etwa, indem sie spenden. 

Der Koran verpflichtet zum Fasten alle Muslime ab der Pubertät, die nicht krank, schwanger oder gerade auf Reisen sind, stillen oder menstruieren.  Wer aus diesen Gründen nicht fasten kann, muss das Fasten später nachholen oder ersatzweise eine Spende an eine Hilfsorganisation erbringen. Einige islamische Staaten verbieten das Nichteinhalten der Fastenpflicht per Gesetz – in Saudi-Arabien, Marokko, Algerien und Malaysia werden sogar Nichtmuslime bestraft, die tagsüber in der Öffentlichkeit essen, trinken oder rauchen. 

Gebrochen wird das Fasten abends, wenn der Mond am Himmel auftaucht. Traditionell nehmen die Gläubigen als erstes eine ungerade Zahl an Datteln zu sich, dazu einen Schluck Wasser oder Milch. Vor und nach dem abendlichen Fastenbrechen, dem „Iftar“ wird gebetet. Bevor die Sonne aufgeht, folgt die Frühstücksmahlzeit, der „Sahur“. 

In vielen muslimischen Ländern kommt das öffentliche Leben während des Ramadan  tagsüber fast zum Erliegen und verschiebt sich in die Nacht. Viele Straßen und Häuser werden mit Lichterketten und Laternen geschmückt; Restaurants bieten oft  einen kostenlosen Iftar, auch an Autofahrer*innen und in öffentlichen Verkehrsmitteln werden Speisen und Getränke zum Fastenbrechen verteilt. 

In normalen Zeiten kommen Muslime zum Fastenbrechen und zum Gebet häufig in der Moschee zusammen. Auch die Frankfurter Moscheen bieten ein solches gemeinsames Fastenbrechen an. In diesem Jahr muss das Gemeinschaftserlebnis allerdings entfallen Den Iftar gibt es in der Moschee „to go“ und gebetet wird vor dem heimischen Bildschirm. 

 

13. April:  Songkran, das thailändische Neujahrsfest

 

Wenn die Sonne in das Sternzeichen Widder eintritt, beginnt das neue Sonnenjahr. In Thailand, Laos und Vietnam wird dieses Ereignis mit einem dreitägigen Fest, dem „Songkran“ gefeiert. Das thailändische Neujahrsfest verbindet weltliche und religiöse Riten. Es beginnt mit der gründlichen Reinigung der Wohnung am Vorabend des Festes. Am ersten Festtag, dem 13. April werden die religiösen Stätten, die Wats besucht und dort Reis, Früchte und andere Speisen geopfert. Gläubige errichten in den Tempeln kleine Sandpyramiden, die „Chedis“, die mit bunten Fähnchen geschmückt werden. Auf diese Weise wollen sie den Staub, den sie im Laufe des Jahres an ihren Schuhsohlen aus dem Tempel tragen, dorthin zurückbringen. Vielerorts gibt es große Prozessionen mit Buddha-Figuren.

Wasser spielt zu Songkran eine große Rolle; es symbolisiert die Säuberung und Erneuerung. Nicht nur die Buddha-Figuren in den Tempeln werden zu Neujahr mit Wasser begossen; auch die jüngeren Familienmitglieder gießen den älteren Wasser über die Hände, um ihnen Respekt zu erweisen. Vor allem in den großen Städten wird Songkran mit ausgelassenen Festen gefeiert, bei denen Passanten mit Wasser bespritzt und mit Puder bestäubt werden und bei denen neben dem Wasser vor allem der Alkohol in Strömen fließt. 

 

14. April: Roter Mittwoch der Jesid*innen

 

Am ersten Mittwoch im April wurde die Welt bunt, glauben die Jesid*innen, eine religös-ethnische Minderheit, die vor allem im Irak, in Syrien, in Armenien und in der Türkei lebt. Gefeiert wird „Carsema Sor“, der „Rote Mittwoch“ („rot“ steht für „bunt“) allerdings erst Mitte April, da der jesidische Kalender dem gregorianischen um 13 Tage nachgeht. In diesem Jahr fällt das Neujahrsfest damit auf den 14. April. Das Neujahrsfest der Jesid*innen ist ein Familienfest, das oft im Freien mit Picknick und Tanz gefeiert wird. Die Hauseingänge werden mit Blumen geschmückt und auch bei den Jesid*innen gibt es den Brauch, Hühnereier bunt zu färben: Die Eier sollen daran erinnern, dass die Welt einst aus dem Ei entstanden ist. Sinn des Festes ist, die Himmelsboten um Beistand, Schutz und eine gute Ernte zu bitten. Zu Neujahr darf keinem Lebewesen geschadet werden, Streitigkeiten und Kriege müssen an diesem Tag ruhen. 

Der April gilt den Jesid*innenen als heiliger Monat. Nach jesidischer Überlieferung heiraten in diesem Monat die Engel, daher sind Hochzeiten für Jesid*innen den ganzen Monat über tabu.  

 

14. April: Baisakhi sikh

 

Auch in Indien und Nepal wird am 14. April der Beginn des neuen Sonnenjahres gefeiert. Vor allem in Nordindien steht der Erntedank dabei im Vordergrund. Für die Sikhs ist der Tag aber auch aus einem anderen Grund der wichtigste Feiertag des Jahres: Am 14. April 1699 gründete Guru Nanak die Bruderschaft der Kahlsa, der „Reinen“, die die Sikhs zu ihrem Glauben geleitet haben. Im Morgengrauen  des „Baisakhi sikh“ ziehen die Gläubigen mit Blumen und Geschenken in die Gebetsstätten. Auch in den USA und Großbritannien veranstalten die Sikhs an diesem Tag große Paraden. 

 

15. April: Jom haAtzma´ut- Unabhängigkeitstag in Israel

 

Am 14. Mai 1948 erklärte sich Israel zum einem von Palästina unabhängigen Staat. Dass der Unabhängigkeitstag in diesem Jahr nicht auf den 14. Mai, sondern auf den 15. April fällt, erklärt sich mit der Besonderheit des jüdischen Kalenders: Die Monate beginnen danach nicht zu einem festen Datum, sondern richten sich nach dem Sonnenstand. Der Unabhängigkeitstag wird jedes Jahr am 5.Iljar gefeiert. Am Vorabend des „Jom haAtzma´ut“ werden im Rahmen einer zentralen Gedenkveranstaltung 12 Fackeln entzündet, die für die 12 Stämme Israels stehen. Die Israel*innen feiern ihren Nationalfeiertag mit Grillpartys, Picknick und Feuerwerk. Viele kulturelle Einrichtungen öffnen an diesem Tag kostenlos ihre Türen, die Luftwaffe veranstaltet öffentliche Flugschauen. 

Das Militär spielt in Israel traditionell eine große Rolle: Alle jungen Israelis, Männer wie Frauen, müssen einen zwei- bis dreijährigen Wehrdienst ableisten: eine Verweigerung ist kaum möglich. 

Die große Bedeutung der Streitkräfte erklärt sich aus der jüngeren Historie des Staates. Bereits im 19. Jahrhundert planten verfolgte Juden – angeführt unter anderem von Theodor Herzl – , im seinerzeit osmanischen Palästina einen jüdischen Staat zu errichten. Nach Auflösung des osmanischen Reiches übernahm Großbritannien bis 1948 das Völkerbundsmandat für Palästina. Zu diesem Zeitpunkt lebten fast 70 Prozent Nichtjuden in Palästina. Sie lehnten die Pläne der UN, das Gebiet zu teilen, ab. Unmittelbar nach der Erklärung der Unabhängigkeit begann ein Bürgerkrieg, der bis 1949 andauerte und in den neben Palästina auch Ägypten, Irak, der Libanon, Transjordanien und Syrien eingriffen. Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel Ostjerusalem und die Golanhöhen, die es bis heute besetzt. 1973 griffen Syrien und Ägypten Israel an: Der „Jom-Kippur-Krieg“ führte nicht nur zur globalen Ölkrise; Israel gelang es auch, den Sinai zu besetzen. Erst 1982 gab es das Gebiet im Zuge der Friedensverhandlungen an Ägypten zurück. Mit Palästina hat Israel bis heute keinen Frieden gefunden. Immer wieder verhindern Terrorangriffe die Fortsetzung der Friedensverhandlungen.  Rund 200 Siedlungen hat der israelische Staat in den besetzten Gebieten im Westjordanland, Ostjerusalem und den Golanhöhen errichtet. Völkerrechtlich gelten sie als illegal. Immer wieder kommt es in den Siedlungsgebieten zu Gewalttätigkeiten zwischen Palästinensern und Isrealis. 

Innerhalb der israelischen Politik ist der Umgang mit den besetzten Gebieten umstritten. Die Parteien teilen sich in „Tauben“ und „Falken“: Während die „Tauben“ die Errichtung eines palästinensischen Staates befürworten, wollen die „Falken“ die besetzen Gebiete annektieren – eine Haltung, die auch vom derzeitigen Regierungschef Benjamin Netanjahu vertreten wird. 

Ohne die besetzten Gebiete ist der Staat Israel nur etwa so groß wie Hessen, hat jedoch mit neun Millionen Einwohner*innen etwa ein Drittel mehr Bevölkerung als unser Bundesstaat. Alle Jüd*innen der Welt haben nach dem Rückkehrgesetz das Recht, nach Israel einzuwandern. Auch wenn das Sozialsystem in Israel ausgeprägt ist und die Isrealis mit die höchste Lebenserwartung der Welt haben, ist vor allem bei den Ultraorthodoxen und der arabischen Bevölkerung die Armutsquote hoch. In vielen Branchen werden trotz der hohen Lebenshaltungskosten extrem niedrige Löhne gezahlt, rund ein Drittel aller Kinder wächst in Armut auf. Eine Besonderheit Israels ist das Kibbuzim, das Zusammenleben in Dörfern mit sozialistisch-kollektiver oder genossenschaftlicher Verfassung. Viele junge Menschen aus aller Welt verbringen eine Zeit in einem israelischen Kibbuz. Mit seinen historisch-religiösen Stätten wie der Altstadt von Jerusalem, Bethlehem oder der Festung von Massada und den Stränden und Tauchressorts am Roten Meer ist Israel auch ein beliebtes Reiseland. Probleme bei der Einreise hat allerdings, wer im Pass den Stempel eines arabischen Landes hat. 

Wer nach Israel reist, muss sich in einem Punkt umstellen: Der Schabbat, zu dem vor allem außerhalb der Großstädte alle Geschäfte schließen, beginnt bereits am Freitag Nachmittag. Der Sonntag ist in Israel hingegen ein normaler Arbeitstag. Die israelische Küche hat viele orientalische Einflüsse; beliebt sind gefülltes Gemüse, Teigtaschen und Bulgur. Schweinefleisch sucht man -  zumindest auf traditionell koscheren Speisekarten – selbstredend vergebens. 

Die israelische Küche könnt ihr in Frankfurt zum Beispiel im „Kuli Alma“ in Bornheim oder der „BarShuka“ im Bahnhofsviertel probieren. 469 Frankfurter*innen besitzen die israelische Staatsbürgerschaft. Seit 1980 unterhält Frankfurt eine Städtepartnerschaft mit Tel-Aviv. Außerhalb der Corona-Zeit lädt die deutsch-israelische Gesellschaft regelmäßig zu kulturellen und informativen Veranstaltungen ein.

 

Zum Weiterlesen:

Assaf Gavron, Ein schönes Attentat, btb 2014, ISBN 978-3641149437

Katharina Höftmann, Guten Morgen, Tel Aviv, Heyne 2011, ISBN 978-3453602090

 

Zum Weiterschauen:

Mein Herz tanzt, 2014 erzählt von einem palästinensischen Jungen, der sich der Gesellschaft in Israel anpassen möchte (streambar bei Amazon Prime)

 

Zum Genießen: 

Kuli Alma, Zum Jungen Straße 10, Frankfurt-Bornheim

BarShuka, Niddastr. 58, Bahnhofsviertel

Kochbuch mit israelischen und palästinensischen Rezepten: Jerusalem, Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi, DK 22. Aufl, 2020, ISBN: 978-3831023332

 

17. April: Id al-Dschalaa: Nationalfeiertag in Syrien

 

Seit einem Jahrzehnt kennen wir Syrien vor allem als Schauplatz eines brutalen Bürgerkrieges. Die Geschichte des Landes, das, etwa halb so groß wie Deutschland, zwischen Israel, Jordanien, Libanon der Türkei und dem Irak gelegen ist, reicht jedoch viel weiter zurück. Zahlreiche historische Stätten, zum Beispiel das im Bürgerkrieg zerstörte Tetrapylon in Palmyra, zeugen von der Zeit „Syrias“ als römische Provinz. Später ging Syrien im Osmanischn Reich auf; nach dem Ersten Weltkrieg besetzten die Franzosen das Land. Am 17. April 1946 wurde Syrien unabhängig. Auch wenn Syrien seither offiziell eine parlamentarische Republik ist, regiert seit dem Staatsstreich 1963 die arabisch-sozialistische Baath-Partei in einer Quasi-Diktatur. Der Präsident hat weitgehende Vollmachten und bestimmt die Richtlinien der Politik. Im Zuge des arabischen Frühlings 2011 kam es auch in Syrien zu Demonstrationen gegen die Regierung und in der Folge zum Bürgerkrieg. Das Land zerfiel in Gebiete, die von Regierungstruppen, verschiedenen Oppositionsgruppen und auch von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ kontrolliert wurden. Mehr als neun Millionen Menschen verloren durch den Krieg ihre Heimat, viele sind ins Ausland geflüchtet. 

Auch wenn der Präsident qua Gesetz muslimischen Glaubens sein muss, ist Syrien kein islamischer Staat. Neben sunnitischen Muslimen leben auch 12 Prozent Alewiten und 10 Prozent Christen im Land. Nur für Muslime gilt die Scharia. Familie und Religion spielen in der syrischen Bevölkerung traditionell eine große Rolle. Das Bildungssystem in Syrien ist ausgeprägt, es herrscht allgemeine Schulpflicht. Syrien verfügt über acht staatliche und zahlreiche private Universitäten; es gibt mit der Wadi International University sogar eine deutsch-syrische Hochschule. 

Wichtigstes Exportgut Syriens ist (noch) das Erdöl, daneben spielt die Landwirtschaft eine große Rolle. Letztere ist jedoch zunehmend durch den Klimawandel bedroht: Während der extremen Dürreperiode zwischen 2006 und 2011 verloren 800.000 Menschen ihre Lebensgrundlage.

2601 Frankfurter*innen haben einen syrischen Pass. Die syrische Küche mit Bulgur, Hummus, Taboulé und Schawarma könnt ihr im Arabika in Frankfurt-Höchst probieren. Noch bis zum 18. April zeigt das Archäologische Museum die Ausstellung „Syrien – Fragmente einer Reise“ mit Fotografien von Yvonne von Schweinitz aus den Jahren 1953 und 1960. Das Video zur Eröffnung der Sonderausstellung könnt ihr euch hier ansehen. 

 

Zum Weiterlesen:

Ahmad Danny Ramadan, Die Wäscheleinen-Schaukel (erzählt von zwei homosexuellen syrischen Männern im kriegszerrütteten Syrien), Orlanda Verlag Berlin 2021, ISBN 978-3944666747

Rafik Schami, Die Sehnsucht der Schwalbe, dtv 2007, ISBN 978-3423210027

 

Zum Weiterschauen: 

„Für Sama“, Dokumentarfilm über den Bürgerkrieg aus dem Jahr 2020 (auf DVD erhältlich)

 

Zum Genießen:

„Arabika“ in der Adolf-Haeuser-Str. 5 in Frankfurt-Höchst

 



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