Diversity Diary: Der Frühling macht alles neu

15. März: Revolutionsgedenktag in Ungarn

Mehr als zweihundert Jahre gehörte Ungarn zum Habsburgerreich. Am 15. März 1848 beschlossen die Ungarn die Revolution. Obwohl diese im Folgejahr von den Österreichern niedergeschlagen wurde, ist der Tag bis heute Nationalfeiertag in Ungarn. In Gedenken an den Aufstand tragen die Ungar*innen an diesem Tag eine Konkarde in den Nationalfarben über dem Herzen.

Magyaroszág – Republik der Magyaren – ist der heutige Name des zwischen Österreich, der Slowakei, der Ukraine, Rumänien, Serbien, Kroatien und Slowenien gelegenen Staates. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks war 1989 die Republik ausgerufen worden, 1990 fanden in Ungarn die ersten freien Wahlen statt. Seit 1999 gehört Ungarn zur Nato, seit 2004 zur EU. 

Als erstes europäisches Land ratifizierte Ungarn am 17. Dezember 2007 den Vertrag von Lissabon. Seither hat sich jedoch vieles verändert. Am 12. September 2018 beschloss die EU, ein Verfahren gegen Ungarn wegen Verletzung europäischer Grundrechte einzuleiten; am 03. März 2021 schloss die EVP die Fidesz-Partei aus der Koalition im Europaparlament aus. 

Die Fidesz-Partei unter Victor Orbán war 2010 an die Macht gekommen. Schnell änderte sich das demokratische Klima im Land. 2012 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die sich in ihrer Präambel nicht nur zu Gott, Krone und Vaterland, Christentum, Familie und Nationalstolz bekennt, sondern auch die Befugnisse des Verfassungsgerichts und des Haushaltsrates einschränkt. Schleichend wurde auch die parlamentarische Kontrolle durch unabhängige Medien und die Wissenschaft immer weiter beschnitten. 

„Lehet Más a Politika“ – Die Politik kann anders sein – ist der sehr programmatische Name der GRÜNEN Partei Ungarns. 2009 gegründet, setzt sich neben Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch für die Bekämpfung der Korruption ein. Acht Sitze (von 199) besetzt sie derzeit im Parlament. Mit Gergely Karácsony regiert in Budapest ein GRÜNER Oberbürgermeister. 

Die Hauptstadt Budapest ist neben dem Balaton, dem „Plattensee“ der von Tourist*innen meistbesuchte Ort in Ungarn, aber auch die Natur der Puszta, der Ebene zwischen Donau und Theiß ist ein Erlebnis. 

Wenn ihr in Ungarn „gulyás“ bestellt, dürft ihr euch nicht wundern, wenn ihr statt der erwarteten Fleischstücke eine Suppe serviert bekommt – das, was wir als „Gulasch“ kennen, heißt in Ungarn „pörkölt“: in Zwiebel, Paprika und Fett gschmortes Fleisch. Paprika ist das für die ungarische Küche typische Gewürz.

Namenstage werden in Ungarn groß gefeiert – sie haben einen größeren Stellenwert als der Geburtstag. Zu Ostern begießen die Männer die Frauen mit Parfüm und erhalten im Gegenzug ein Osterei oder ein kleines Geschenk. Der Sinn hinter diesem Brauch ist nicht sehr frauenfreundlich, denn das Begießen soll verhindert, dass die Schönheit der Frauen verwelkt. 

1745 Ungar*innen sind in Frankfurt zu Hause. Einen Einblick in die ungarische Kultur erhaltet ihr bei den Filmabenden, Vorträgen und kulturellen Veranstaltungen, die von der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft organisiert werden. Der Verein Rezeda e.V. bietet traditionellen ungarischen Tanz und Musik  - all dies könnt ihr nach der Pandemie sicher wieder in Frankfurt genießen. Eine Gulaschsuppe findet ihr auf fast jeder Speisekarte – um traditionelle ungarische Spezialitäten zu probieren, müsst ihr dagegen ins Umland fahren, etwa ins Hungarium nach Langen.

Zum Weiterlesen: Janos Terey, Budapester Überschreitungen. Arco Verlag Wuppertal 2019, ISBN 978-3938375983

Zum Weiterschauen: Just the Wind (2012), thematisiert die Serie von Gewalttaten von Rechtsextremisten, bei denen sechs Roma-Menschen ermordet wurden 2008/2009.  Streambar bei Amazon Prime

Zum Erleben und Genießen: Restaurant Hungarium, Robert-Bosch-Str. 58, Langen

 

17. März: St. Patricks Day (Nationalfeiertag Irland)

Musik, Tanz, grüne Kleidung und natürlich viel viel Guiness – so feiern die Iren  - und mit ihnen Irland-Fans auf der ganzen Welt – am 17. März den St. Patricks Day. In vielen großen Städten rund um den Globus gibt es an diesem Tag Paraden und Feste. Einige Städte, beispielsweise Chicago, färben sogar die Flüsse grün – zum Glück nicht mehr mit umweltschädlichem Farbstoff. Der irische Bischoff Patrick, dessen Todestag gefeiert wird, gilt als erster christlicher Missionar in Irland.

Der katholische Glaube spielt in Irland bis heute eine große Rolle, auch wenn Irland bereits 2015 – und damit zwei Jahre vor Deutschland-  die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt hat. Irisch wird übrigens nur von einer Minderheit der 4,9 Millionen Einwohner*innen gesprochen; die vorherrschende Sprache ist Englisch. 

Seit 1973 ist Irland Mitglied der EU, wenngleich es mit Rücksicht auf Nordirland auch nicht dem Schengen-Raum angehört. Als erstes europäisches Land führte Irland 2004 ein Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden ein. 2018 war Irland das zweitreichste Land Europas, auch wenn der Unterschied zwischen Reich und Arm in Irland beträchtlich ist und 22 Prozent der Bevölkerung eigentlich in relativer Armut leben. 

Das irische Parlament gliedert sich in ein Oberhaus, dem 60 Senator*innen angehören und ein Repräsentantenhaus mit 158 Abgeordneten. Die GRÜNE Partei Irlands hat aktuell 12 Parlamentssitze inne. 

Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch musikalisch gehört Irland zu den erfolgreichsten Ländern Europas. Siebenmal gewann das Land beim Eurovision Song Contest – auch wenn traditionelle Musik der Länder bekanntlich dort leider kaum noch eine Rolle spielt. Zum traditionellen Irish Folk mit Fiddle, Flöte und Harfe gehört der Volkstanz einfach dazu. Bekannt sind die Ir*innen auch für die typisch irische Gedichtform, den Limerick. Neben den auch hierzulande bekannten Sportarten pflegen irische Sportler*innen auch „Gaelic Football“ und „Hurling“, eine Art Feldhockey. 

Die Übertragung irischer Sportereignisse, Livemusik und Tanz könnt ihr auch in Frankfurt erleben – zum Beispiel im Irish Pub auf der Berger Straße. Hier könnt ihr auch die typisch irischen Spezialitäten probieren, etwa Irish Stew, ein Eintopf aus Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Rind- oder Hammelfleisch, der mit Kümmel gewürzt wird) und euch dazu einen Irish Whiskey oder natürlich ein Guiness einschenken lassen. Letzteres ist in Irland übrigens verpönt – zu den Mahlzeiten bevorzugen die Ir*innen andere Getränke. 

Zum Weiterlesen: 

Frank Mc Court, Die Asche meiner Mutter, btb 1998, ISBN: 978-3442723072

Heinrich Boell, Irisches Tagebuch, dtv 1973, ISBN 978-3423000017

Zum Weiterschauen: 

Michael Collins (1996) – Verfilmung des Lebens des bekannten irisichen Freiheitskämpfers

Die unbarmherzigen Schwestern (2002) – erzählt vom Leben dreier Schwestern in den berüchtigten Magdalenenheimen der 60er Jahre

Killing Bono (2011) über die irische Band U2 

Zum Erleben und Genießen:

Irish Pub Bornheim, Berger Str. 255, Frankfurt-Bornheim

 

20. März: Nationalfeiertag in  Tunesien

Der arabische Frühling brachte die Wende für Tunesien: Nachdem das nördlichste Land Afrikas am 20. März 1956 die Unabhängigkeit von Frankreich erlangt hatte, konnte die Einheitspartei Neo Destour/RCD ein autoritäres Regime errichten. Erst 2014 trat eine neue Verfassung in Kraft, die die Machtstrukturen zwischen Präsident und Premierminister aufteilt, um autokratische Strukturen künftig zu verhindern. Heute gilt Tunesien als einziges demokratisches Land im arabischen Raum. Auch wenn der Islam Staatsreligion ist, gilt hier nicht die Scharia. Die neue Verfassung sieht Glaubens- und Gewissensfreiheit vor und regelt die völlige Gleichstellung der Geschlechter.  Frauen werden politisch gefördert, sowohl Stadt- als auch Landräte sehen Frauenquoten vor. Auch wenn auf dem Papier die Meinungsfreiheit garantiert ist – in der Praxis werden politisch Verdächtige nach wie vor verfolgt, inhaftiert und auch gefoltert. Das Antiterrorgesetz verleiht den Behörden einen großen Handlungsspielraum. Verfolgt und verurteilt werden auch homosexuelle Menschen - trotz moderner Verfassung ist Homosexualität in Tunesien verboten. 

Die wichtigste Branche ist – neben dem Tourismus – die Textil- und Lederfertigung. In Tunesien gefertigte Stoffe und Kleidungsstücke werden in die ganze Welt exportiert. Sie entstehen jedoch häufig unter widrigen Arbeitsbedingungen und unter Missachtung von Umweltschutz-Vorgaben. Oft reicht der Mindestlohn nicht aus, um davon eine Familie zu ernähren. Vielen bleibt jedoch keine andere Wahl: Vor allen Dingen bei jungen Menschen und Akademiker*innen ist die Arbeitslosigkeit in Tunesien hoch. Viele verlassen daher das Land. 751 Tunesier*innen sind in Frankfurt zu Hause.

Familiäre Gemeinschaft spielt in Tunesien eine große Rolle. Geburtstage werden kaum gefeiert, da viele Tunesier*innen ihr genaues Geburtsdatum nicht kennen. Hochzeiten sind dagegen lokale Großereignisse; die Feiern dauern oft mehrere Tage. Ein Brauch verrät den jungen Frauen, ob ihr Schwarm noch zu haben ist: Verheiratete Männer stecken sich ein Jasminsträußchen hinter das rechte Ohr, Junggesellen hinter das linke. Die kleinen Sträußchen gibt es in Tunesien an jeder Ecke zu kaufen, sie dienen als Schmuck, Dekoration und als Glücksbringer.

Für die tunesische Küche typisch sind Tomaten, Paprika und das scharfe Gewürz Harissa. Typische Gerichte sind zum Beispiel Couscous und Tajine. Tunesische Lebensmittel findet ihr in Frankfurt bei Zerouali in der Stoltzestraße.

Zum Weiterlesen: 

Kaouther Tabai: Das kleine Dienstmädchen. Aus dem Leben tunesischer Frauen. Glaré Verlag Frankfurt, 2004, ISBN 978-3-930761-39-5

Zum Weiterschauen: 

Auf der Couch in Tunis (2019) erzählt von einer jungen Psychologin, die in das Heimatland ihrer Eltern zurückkehrt und hier eine Praxis eröffnet. (streambar z.B. bei Magenta TV, Amazon, itunes)

Die Tunisreise (2007) schildert die Tunesien-Eindrücke des Malers  Paul Klee 1914 – erhältlich auf DVD

Zum Erleben und Genießen:

Zerouali, Stoltzestr. 13, Frankfurt-Innenstadt

 

21 März: Nouruz – Die Natur erwacht, ein neues Jahr beginnt

„Neuer Tag“ heißt übersetzt das Fest, mit dem Menschen seit über 3000 Jahren im Iran, Irak, Syrien, Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan und zunehmend auch in Russland und auf dem Balkan den Frühling und das neue Jahr begrüßen. 

Für Iraner*innen ist Nouruz das größte und wichtigste Fest des Jahres. Es ist kein religiöses Fest, sondern geht auf zoroastrische Riten zurück. Im Mittelpunkt stehen die Erneuerung der Natur und der Kreislauf des Lebens. Gefeiert wird es am Tag des Frühlingsbeginns  - also am 20. oder 21. März. Nouruz beginnt exakt zu dem Zeitpunkt, an dem die Sonne in das Tierkreiszeichen des Widders eintritt (astronomischer Frühjahrsbeginn). Die Feierlichkeiten  starten aber bereits in der Nacht zum Mittwoch vor diesem Tag. Dann wird das „Shanbe Suri“, das Mittwochsfeuer angezündet. Der Sprung über das Feuer soll Unglück und Krankheiten bannen.  Nouruz ist ein Familienfest, das mit Verwandten und Freunden gefeiert wird. Der Prozess der Erneuerung spiegelt sich auch in den festlichen Bräuchen wieder: Die Menschen kleiden sich neu ein, die Notenbanken drucken extra neue Geldscheine, die den Jüngeren von den Älteren am Nouruz-Abend überreicht werden. 

Dass Kinder wie zu Halloween verkleidet von Haus zu Haus ziehen und Süßigkeiten sammeln und  dass wie bei uns der Nikolaus „Amu Nouruz“ und sein musizierender und tanzender Begleiter „Hadschi Firuz“ den Kindern Geschenke bringen, sind neuere Traditionen des Festes.

Die Zahl Sieben spielt zu Nouruz eine besondere Rolle: Mit sieben Gegenständen ist der besondere Tisch, der zu Nouruz gedeckt wird, der „Haft-Sin-Tisch“ („Sieben S“) dekoriert, alle beginnen mit dem Buchstaben  „S“. Jeder Gegenstand steht dabei für eine besondere Gabe, die das neue Jahr bringen soll: Münzen (Sekke) symbolisieren Wohlstand, ein Apfel (sib) steht für Schönheit und Gesundheit, Knoblauch (sir) soll Schutz bringen, sabze (zu deutsch „Grünzeug“) in Form von Weizen- oder Linsenkeimen Munterkeit verleihen. Das Gewürz Sumach steht für den Geschmack des Lebens, Serkeh (Essig) für Geduld und Fröhlichkeit. Hyazinthen (sombol) symbolisieren Freundschaft. Aus sieben Kräutern besteht das Neujahrsgetränk Mewa, aus sieben Speisen das traditionelle Festmahl. Für die Bahai bedeutet Nouruz zugleich das Ende der Fastenzeit. 

Viele Länder haben eigene Nouruz-Traditionen, so werden in Asebaidschan besondere Süßigkeiten hergestellt und in Kasachstan werfen die Menschen Lehmtassen gegen die Wand. 

Den 13. Tag nach Nouruz (Sidah-Bedar) verbringen Iraner*innen traditionell im Freien, denn der Aberglaube besagt, dass an diesem Tag böse Geister die Menschen in ihren Häusern heimsuchen. Viele Familien und Freunde treffen sich zum Picknick im Grünen. Die Sabze-Keimlinge nehmen sie mit – denn es heißt, dass ein Wunsch in Erfüllung geht, wenn man sie verknotet ins Wasser wirft und so der Natur zurückgibt. 

Schulen und Ämter bleiben während der gesamten Zeit geschlossen, auch die meisten Geschäfte schließen für mehrere Tage. 

Das Nouruz-Fest wird auch in Frankfurt und Umgebung gefeiert. Unsere ehemalige GRÜNE Integrationsdezernentin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg lud zu diesem Anlass jedes Jahr zum Frühlingsempfang in den Kaisersaal; auch die Goethe-Uni und verschiedene Organisationen veranstalteten Nouruz-Feiern. 2019 verbanden Kurd*innen das Fest mit einer großen Demo für Frieden und Demokratie im mittleren Osten.



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