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Vor 30 Jahren war es für eine westdeutsche Frau noch üblich, sich in Vollzeit dem Haushalt und der Familie zu widmen. Jede zweite Frau war nicht berufstätig. Das lag nicht nur an einem anderen Rollenverständnis, sondern auch daran, dass Arbeitnehmer*innen auf eine Teilzeitstelle noch keinen Rechtsanspruch hatten und Angebote zur ganztägigen Betreuung von Kindern kaum verfügbar waren. 1989 war das Jahr, in dem die Elternzeit, die damals noch „Erziehungsurlaub“ hieß, binnen kurzem zum zweiten Mal angehoben wurde. 15 Monate standen den frischgebackenen Eltern jetzt zu, wobei die Väter die Erziehungsmonate so gut wie nie in Anspruch nahmen. 1989 war aber auch das Jahr, in dem die bundesdeutschen Nationalspielerinnen erstmals Europameisterinnen wurden und damit zeigten, dass Frauen in der Männerwelt des Fußballs angekommen waren. Und 1989 war das Jahr, in dem Margarethe Nimsch als erste GRÜNE Frauendezernentin im Magistrat Platz nahm.
Nicht alle Römerfraktionen sahen damals die Notwendigkeit für ein eigenes Frauenreferat – schließlich richteten sich Umwelt-, Verkehrs-, Planungs- und Bildungspolitik an alle Frankfurter*innen und bezogen damit automatisch auch die Frauen ein! Dass es eben nicht ausreicht, vom jeweiligen Ressort her für alle zu planen, sondern dass es einer Instanz bedarf, die bestimmte Aspekte quasi als Querschnittsaufgabe in alle politischen Bereiche hineinträgt, zeigte gleich das erste Projekt, das sich Margarethe Nimsch und ihr Team vornahmen: Es ging um die Frage, mit welchen Mitteln der Stadtplanung Frankfurt für Frauen und Mädchen sicherer und damit angstfreier werden kann. Die Überlegungen mündeten 1996 in Leitlinien zur frauengerechten Bauleitplanung, die bundesweit Beachtung fanden und auch anderen Städten als Vorbild dienten.
Zu dieser Zeit vollzog sich in der Gleichstellungspolitik ein ähnlicher Paradigmenwechsel, wie er in der (Frankfurter) Integrationspolitik einige Jahre später folgen sollte – weg von der „Frauenpolitik“ als Politik für ein marginalisiertes Geschlecht hin zu „Gender Mainstreaming“ als Politik, die unterschiedliche Lebenssituationen und Belange aller Geschlechter bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen berücksichtigt.
2002 übernahm Gabriele Wenner die Leitung des Frauenreferates. Gemeinsam mit Jutta Ebeling, der GRÜNEN Frauendezernentin von 2001 bis 2012 und deren Nachfolgerinnen Sarah Sorge und Rosemarie Heilig treibt sie seither die Umsetzung des Gender Mainstreaming in Politik und Verwaltung voran. Zum Beispiel, indem auf gendergerechte Sprache geachtet wird: „Inklusive Sprache bedeutet, alle anzusprechen, die wir als Stadtverwaltung mit unseren Angeboten erreichen wollen“, sagt Wenner. Das Frauenreferat versteht sich dabei als Dienstleister – es berät Institutionen und Organisationen in Genderfragen, setzt Themen, initiiert Projekte, Veranstaltungen und Kampagnen wie 2016 „Respekt.Stoppt.Sexismus“ und im vergangenen Jahr „Frauen.Macht.Politik“. Daneben läuft die „klassische“ Frauenförderung: Frauennetzwerke werden gegründet, Angebote für Frauen und Mädchen erarbeitet und finanziert. Das Referat fungiert auch als Anlaufstelle für alle Fragen rund um geschlechtliche Diskriminierung, zwar leistet es keine Rechtsberatung, vermittelt jedoch Unterstützung. Mit den 1800 kommunalen Frauenbüros, die bundesweit existieren, arbeitet es eng zusammen.
Längst nimmt Frankfurt in Genderfragen eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Am 08. März 2012 unterzeichnete die Stadt die Europäische Charta für Gleichstellung und verpflichtete sich damit, einen Gleichstellungs-Aktionsplan zu erarbeiten.
Denn auch nach dreißig Jahren bleibt viel zu tun: Immer noch verdienen Frauen rund 21 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Immer noch sind es die Frauen, die neben dem Beruf mehr Aufgaben in Haushalt und Familie übernehmen. Immer noch sind es die Frauen, die sich vor allem nachts nicht völlig angstfrei durch die Stadt bewegen und die alltäglich Diskriminierung oder gar körperlicher Gewalt ausgesetzt sind.: „Sexismus wirkt oft unterschwellig in der Werbung, im Alltag, durch Geschlechterrollen und Stereotype“, sagt Gabriele Wenner. Derzeit plant sie eine Kampagne für das kommende Jahr, die genau diese Mechanismen bewusst machen und bekämpfen will. Ein besonderes Anliegen ist es ihr auch, mehr Frauen den Weg in Wirtschaft, Verwaltung und Politik zu ebnen. Vor allem bei letzterem besteht Handlungsbedarf: Während in Frankfurt der Frauenanteil in Führungspositionen mit 40 Prozent überdurchschnittlich hoch ist, ist er in der Politik rückläufig. „Das hängt auch mit den Sitzungszeiten in den späten Nachmittags- und Abendstunden zusammen“, vermutet Wenner. Die sinkende Politikerinnen-Quote war der Grund dafür, dass es für Frankfurt beim „Gender-Award“ 2018 nicht ganz zur Spitzenposition reichte. Aber wer weiß? 2021 stehen die nächsten Kommunalwahlen in Frankfurt an und damit auch die Chance für Frauen, in die Stadtpolitik einzusteigen. Vielleicht klappt es dann mit dem Award.
Fest steht: Das Frauenreferat stellt längst niemand mehr in Frage. Es hat sich in den vergangenen dreißig Jahren als unverzichtbare Beraterin und Impulsgeberin etabliert. Und genau das Wörtchen „unverzichtbar“ ist es, was zu denken geben sollte: „Solange wir bei städtischen Projektplanungen nicht durchgängig entlang der Diversity-Merkmale verfahren“, sagt Gabriele Wenner, „braucht es noch ein Frauenreferat, ein AmkA oder eine Behindertenbeauftrage“.
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