06.11.2016
Ohne Pressefreiheit keine Demokratie!

Jeder demokratischen Gesellschaft ist sie immanent: Die Pressefreiheit. „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten“, heißt es in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.
Bei uns in Deutschland ist die Pressefreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben. Sie gilt für alle Menschen, die in Deutschland leben, also im Gegensatz zu verschiedenen anderen Grundrechten nicht nur für deutsche Staatsbürger*innen. Schon dieser Umstand zeigt, wie hoch das Gut der Pressefreiheit anzusiedeln ist. Sie ist Grundlage der - ebenfalls in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten – freien Meinungsäußerung. Ohne die Möglichkeit, sich frei und ungehindert aus vielfältigen Quellen zu informieren, ist der Einzelne nämlich gar nicht fähig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und ohne das Recht auf freie (und damit diverse) Meinungsäußerung ist Demokratie, also die Herrschaft des Volkes, nicht denkbar. Nicht umsonst bezeichnet man die Presse oft als „Vierte Gewalt“ – sie übt gegenüber Staat und Wirtschaft eine nicht zu unterschätzende Kontrollfunktion aus.
Aber auch umgekehrt kann man sagen: Ohne (funktionierende) Demokratie kann freie Meinungsäußerung nicht existieren. Es gibt kein Land der Erde, das keine (tatsächliche) Demokratie ist und in dem Meinungen wirklich frei geäußert werden dürfen. Das eine bedingt das andere. Dass dies zutrifft, das wird uns gerade in erschreckender Weise vor Augen geführt, wenn wir die jüngsten Geschehnisse in der Türkei beobachten.
Nach dem Putschversuch vom 15. Juli verhängte Präsident Erdogan einen zunächst dreimonatigen Ausnahmezustand, der unter anderem bereits die Einschränkung der Pressefreiheit bedeutete. Seither sind mehr als 150 Medien verboten worden, vor allem linke und prokurdische Berichterstattungen. In dieser Woche traf es 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Oppositionszeitung Cumhuriyet. Vor Kurzem wurde der Ausnahmezustand bis Januar 2017 verlängert.
Aber auch andere Menschenrechte werden in der Türkei verletzt oder drohen verletzt zu werden. 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wurden seit Mitte Juli suspendiert oder entlassen. Insgesamt 37.000 Menschen wurden als Oppositionelle inhaftiert. In der Nacht zum Freitag wurden führende kurdische Politiker festgenommen. Aktuell plant Präsident Erdogan die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Dass die Türkei in ihrer aktuellen Situation nicht Mitglied der Europäischen Union werden kann, steht außer Frage. Und doch – es wäre das Falscheste, was wir als Europäerinnen und Europäer jetzt tun könnten, wenn wir uns wegdrehen und den Dialog mit der Türkei abreißen lassen würden. Den Diskurs zu führen und den demokratischen Kräften in der Türkei den Rücken zu stärken – das ist Aufgabe und Chance zugleich für ganz Europa.
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